Wesentliche Corona-Schutzmaßnahmen fallen in NRW am Sonntag weg. Trotz der hohen Infektionszahlen. Mitglieder der Landesregierung appellieren an die Bürger, jetzt freiwillig Schutzmasken in vollen Räumen zu tragen.
Nach gut zwei Jahren Pandemie werden die allermeisten Corona-Auflagen in Nordrhein-Westfalen nun aufgehoben. Ab Sonntag 0.00 Uhr entfallen nach Angaben des NRW-Gesundheitsministeriums sowohl die Zugangsbeschränkungen 3G (geimpft, genesen oder getestet) und 2Gplus (geimpft, genesen, plus getestet oder geboostert) als auch die allgemeine Maskenpflicht in öffentlichen Innenräumen. Mitglieder der Landesregierung appellieren zugleich an die Menschen, freiwillig eine Corona-Schutzmaske in vollen Innenräumen zu tragen sowie an Veranstalter, mit Hygienekonzepten für Sicherheit zu sorgen.
Die Maskenpflicht bleibt laut dem Gesundheitsministerium nur in wenigen Bereichen wie im öffentlichen Personennahverkehr – also der Fahrt mit Bus und Bahnen – bestehen. Sie gelte auch weiterhin in medizinischen Einrichtungen wie Arztpraxen und Krankenhäusern sowie in Pflegeheimen, um ältere und vorerkrankte Menschen besonders zu schützen. Auch in staatlichen Einrichtungen zur Unterbringung vieler Menschen wie Flüchtlingsunterkünften, Gemeinschaftsunterkünften für Wohnungslose und Justizeinrichtungen gelte die Maskenpflicht fort.
Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen dürften zudem nach wie vor nur mit einem aktuellen negativen Testnachweis betreten werden, so das Ministerium. Dort gelte die Testpflicht für Besucher, Beschäftigte sowie bei Neuaufnahmen. Gleiches gelte für nicht immunisierte Personen in Flüchtlingsunterkünften und Strafvollzugsanstalten.
Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) erklärte, das Land schöpfe damit den Spielraum aus dem Infektionsschutzgesetz des Bundes voll aus. „Die Infektionszahlen sind weiterhin hoch und es gibt viele Personalausfälle, immer noch erkranken Menschen schwer und versterben“, erklärte der CDU-Politiker und appellierte: „Ich zähle jetzt auf jeden Einzelnen. Ich rate dringend dazu, zum eigenen Schutz und vor allem auch zum Schutz besonders gefährdeter Mitmenschen die Maske in vollen Innenräumen zumindest so lange weiterhin zu tragen, bis die Infektionszahlen wirklich deutlich zurückgegangen sind.“
Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) ruft ebenfalls zum freiwilligen Tragen einer Maske in öffentlichen Innenräumen auf. „Eine Maske zu tragen ist wenig Aufwand und Beeinträchtigung – aber ein großes Plus an Sicherheit“, sagte er dem „Kölner Stadt-Anzeiger. Die Verantwortung für das Auslaufen der Regelungen trage der Bund.
Zwar können die Bundesländer in Hotspots Beschränkungen beschließen. Eine landesweite Hotspot-Regelung wäre nach Auffassung des NRW-Gesundheitsministeriums aber nicht rechtssicher. Der Nachweis der Überlastung der Krankenhäuser könne derzeit nicht geführt werden. „Die von der Bundesregierung geschaffenen Hürden, ein ganzes Land als Corona-Hotspot auszuweisen, sind so hoch, dass sie praktisch kaum erreichbar sind, bevor das Kind nicht schon in den Brunnen gefallen ist“, bekräftigte der Regierungschef im „Kölner Stadt-Anzeiger“.
Im Gesundheitsausschuss des Landtages hatten Abgeordnete von SPD und Grünen am Mittwoch der Landesregierung vorgehalten, dass Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern die Hotspot-Regelung hingegen für das gesamte Bundesland anwenden. Kurz vor Ende der Maskenpflicht an den Schulen appellierte die SPD an die Schüler: „Bitte tragt die Maske weiter.“ Auch ohne Pflicht sei sie „der einfachste und wirksamste Schutz“, unterstrich der Vizevorsitzende der Landtagsfraktion, Jochen Ott.
Vize-Regierungschef Joachim Stamp (FDP) verteidigte die Entscheidungen. „Wir haben harte Grundrechtseingriffe mitgetragen, um eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern“, sagte er der „Westdeutschen Zeitung“. „Diese Überlastung ist jetzt nicht mehr gegeben. Wir sind mit Omikron in einer anderen Phase und die Zeit der freiheitseinschränkenden Maßnahmen ist vorbei.“ Jetzt gehe es um mehr Eigenverantwortung. Damit könne sich jeder schützen.
Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, hatte vor wenigen Tagen die Länder in der Corona-Pandemie zu schnellem Handeln aufgefordert. „Das Geschrei der Ministerpräsidenten und deren Fingerzeig auf den Bund sind in keiner Weise gerechtfertigt“, sagte er der „Rheinischen Post“. Die Landesregierungen hätten nichts unternommen, um das nun von ihnen scharf kritisierte Infektionsschutzgesetz zu stoppen, kritisierte er. Jetzt steckten sie in einer Sackgasse, in die sie sich selbst manövriert hätten.
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