Über eine Milliarde Euro steckte die Pharmaindustrie im vergangenen Jahr in die Arzneimittelwerbung. Auch die Krankenkassen umwerben mit Millionensummen ihre Kunden. Hinzu kommen die Werbeetats der erweiterten Gesundheitsbranche – Wellness, Kosmetik, Nahrungsergänzung. Auf Rezepten ist Werbung streng verboten. Für die Marketingstrategen bietet sich ab 1. Oktober aber ein ganz neues Spielfeld: der Medikationsplan. Die Rückseite des DIN A 4 Blattes bietet reichlich Platz für Reklame. Besser noch: Grundsätzlich ist Werbung auf dem Medikationsplan zulässig.
Ab dem 1. Oktober erhalten Millionen Patienten erstmals den neuen Medikationsplan. Nach Schätzungen nehmen circa 15 Millionen Patienten regelmäßig drei und mehr Arzneimittel – und haben damit einen Anspruch. Auf der Suche nach direkter Kundenansprache eröffnet sich hier ein völlig neues Geschäftsfeld und ein neuer millionenschwerer Werbemarkt. Auf der Rückseite des Medikationsplans befindet sich „eine freie belegbare Fläche, auf der durchaus geworben werden kann“, wie die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) bestätigt. Und auf der Vorderseite gibt es unten den sogenannten Herstellerbereich: „Dieser kann vom Hersteller der Praxissoftware für Informationen genutzt werden.“
Da die Medikationspläne mehrfach aktualisiert werden müssen, vervielfacht sich die Anzahl der Werbeflächen mit direktem und zielgenauen Kundenkontakt. Das große Format bietet ausreichen Raum für werbliche Aktivitäten. Ob es schon an Werbung auf dem Medikationsplan interessierte Firmen gibt, kann die KBV naturgemäß nicht beantworten: „Die würden sich ja nicht mit uns in Verbindung setzen. Wir drucken den Medikationsplan ja nicht oder vertreiben diesen“, so die KBV. In der Praxissoftwarebranche herrscht noch Funkstille.
Die amtliche Spezifikation für den bundeseinheitlichen Medikationsplan (BMP) lässt jedoch Spielraum fürs Marketing. Festgelegt ist, dass der Medikationsplan auf handelsüblichem weißen Papier, idealerweise 80 g/qm gedruckt wird. Der Ausdruck erfolgt im Querformat und in schwarzer Farbe. Ringsherum ist ein Randabstand von mindestens 0,8 cm einzuhalten. Auch die Schriftart ist vorgegeben: Arial.
Die Rückseite gehört aber offiziell nicht zum zum Medikationsplan. In den meisten Praxissystemen wird dem Arzt aber nur die Vorderseite des Medikationsplans im Computer angezeigt, nicht die Rückseite. Um beide Seiten anzuzeigen, wäre eine Anpassung der grafischen Benutzeroberfläche in der Software erforderlich. Außerdem müsste dann ein Duplexdrucker verwendet werden, der beide Seiten gleichzeitig bedrucken kann. Möglich wäre allerdings auch, dass werbeinteressierte Firmen Ärzten und Apothekern entsprechend vorbedrucktes Druckerpapier in die Praxis oder Offizin liefern – nach dem Vorbild der Rezeptblöcke für Privatverordnungen.
Unklar ist derzeit jedoch, ob der Medikationsplan unter das Arzneimittelversorgungs-Wirtschaftlichkeitsgesetz (AVWG) fällt. Dort ist unter anderem geregelt, welche Anforderungen die Praxissoftware der Ärzte erfüllen muss. Seit dem 1. Juli 2008 dürfen nur noch Arzneimittel-Datenbanken und die dazugehörige Software eingesetzt werden, die eine manipulationsfreie Verordnung von Arzneimitteln gewährleisten. Werbung ist also ausgeschlossen. Diese müssen von der KBV zertifiziert sein. Dazu haben die Spitzenverbände der Krankenkassen und die KBV einen Katalog erarbeitet, in dem Anforderungen an die Arzneimittelmodule definiert sind. Unter Rückgriff auf das AVWG könnte der Gesetzgeber Werbung auf dem Medikationsplan noch verbieten.
Klar ist derzeit: Die Spezifikation zum Medikationsplan schließt die Rückseite aus. Es existieren keine Verbote. Nicht geregelt ist zudem, ob bei eingesetztem Duplexdrucker eine zweite Seite bei mehrseitigen Medikationsplan auf einem neuen Blatt oder auf der Rückseite gedruckt werden darf. Derzeit stehen die Türen für Werbung auf dem Medikationsplan jedenfalls offen.
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