EuGH-Verfahren

Mand legt sich fest: Preisrecht hält

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Frankfurt -

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) wird über die Zukunft des deutschen Preisrechts entscheiden. In Luxemburg muss die Frage geklärt werden, ob das Rx-Boni-Verbot auch für ausländische Versandapotheken gilt. Der Arzneimittelrechtsexperte Dr. Elmar Mand legt sich fest: Der EuGH werde die Preisbindung für alle bestätigen, sagte er beim Gesundheitsrechtstag der Wettbewerbszentrale.

Die Rx-Boni-Frage ist aus Sicht des Oberlandesgerichts Düsseldorf (OLG) noch nicht geklärt. Im März hatte das Gericht in einem Streit um ein Bonusmodell der Deutsche Parkinson Vereinigung (DPV) in Zusammenarbeit mit der Versandapotheke DocMorris dem EuGH überraschend drei Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt. Mittlerweile haben sich die Parteien, mehrere Regierungen der Mitgliedstaaten und die EU-Kommission geäußert. Jetzt warten alle gespannt auf die Entscheidung aus Luxemburg.

Konkret geht es um Artikel 34 der europäischen Verträge, der die mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung zwischen den Mitgliedstaaten verbietet (Warenverkehrsfreiheit), sowie Artikel 36, der solche Beschränkungen erlaubt, die zum Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen gerechtfertigt sind.

Bei der ersten Frage kommt es Mand zufolge darauf an, ob ausländische Versandapotheken von der Preisbindung stärker betroffen sind als nationale Anbieter – obwohl für alle dieselben Regeln gelten. Bei der zweiten Frage ist entscheidend, wie sich die Regelung begründen lässt.

Mand sieht durchaus Ansatzpunkte für eine Benachteiligung von DocMorris & Co. Der Versandhandel sei für ausländische Anbieter oft die einzige Möglichkeit, in einem anderen Markt Fuß zu fassen. Gleichzeitig spiele der Preiswettbewerb eine zentrale Rolle im Online-Handel, so Mand. Die Preisbindung nehme diesem wesentlichen Wettbewerbsinstrument die Durchschlagkraft. „Wenn Sie mich fragen, wird der EuGH eine Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit annehmen“, so Mand.

Diese Beschränkung sei aber aus Gründen des Gesundheitsschutzes gerechtfertigt. Denn dabei hätten die Mitgliedstaaten einen Wertungsspielraum, der EuGH prüfe nationale Regelungen nur auf Stimmigkeit und Schlüssigkeit. Da es in Deutschland keinen Gebietsschutz für Apotheken gebe, werde die flächendeckende Versorgung indirekt über die Preisbindung geregelt.

Dieser Gedanke sei nicht so abwegig, dass er außerhalb des Wertungsspielraums des Gesetzgebers liege, ist Mand überzeugt. „Es lässt sich daher mit sehr großer Wahrscheinlichkeit sagen, dass die deutsche Regelung hält, weil sie sich mit dem Gesundheitsschutz rechtfertigen lässt“, so der Arzneimittelrechtler der Universität Marburg.

Unabhängig davon spielten in Luxemburg immer auch politische Erwägungen eine Rolle, so Mand. Der EuGH kippe erfahrungsgemäß fast nie eine Regelung, die in einer Mehrheit der Mitgliedstaaten gelte, insbesondere in den großen. In vielen EU-Staaten sei aber sogar der Versandhandel mit Rx-Arzneimitteln gänzlich untersagt. Der EuGH hatte dies 2002 selbst für zulässig erklärt.

Es wäre dem deutschen Gesetzgeber also Mand zufolge unbenommen, den Rx-Versandhandel komplett zu verbieten, sollte der EuGH das Preisrecht kippen. Dies sei aber ohne Frage ein stärkere Beschränkung des Binnenmarktes. Daher sei es extrem unwahrscheinlich, dass der EuGH die Preisbindung aufhebe.

Anderenfalls würde sich der EuGH zudem in Konflikt mit den obersten nationalen Gerichten bringen, was mit Blick auf die Kooperation gern vermieden werde, so Mand weiter. Das gilt hier besonders, da der Gemeinsame Senat der obersten Bundesgerichte das Rx-Boni bestätigt und für europarechtskonform erklärt hatte. Sollte sich der EuGH über dieses sehr klare Judikat des Gemeinsamen Senats hinwegsetzen, hätte das Mand zufolge wiederum Implikationen auf die künftige Zusammenarbeit.

Vor diesem Hintergrund kann Mand überhaupt nicht verstehen, warum das OLG Düsseldorf die Frage des Preisrechts überhaupt in Luxemburg vorgelegt hat. Die drei Richter seien anscheinend beseelt von der eigenen Ansicht oder der Aussicht auf Publicity gewesen, so Mand.

Auch wenn er sich sicher ist, dass der EuGH das Preisrecht nicht kippen wird, führt das Verfahren aus seiner Sicht zu einer vorübergehende Rechtsunsicherheit. „Bis zu einer abschließenden Klärung ist daher mit einem aggressiven Marktverhalten zu rechnen“, so Mand. Denn das Eintreiben verhängter Ordnungsgelder wie im Fall von DocMorris gestalte sich in der Praxis anscheinend als schwierig.

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