Arzneimittelskandal

Lunapharm: Ministerin tritt zurück

, , Uhr aktualisiert am 28.08.2018 11:17 Uhr
Berlin -

Nach dem Medikamentenskandal in Brandenburg gibt Gesundheitsministerin Diana Golze (Linke) wie erwartet auf. Sie trete von ihrem Amt als Ministerin zurück, teilte sie jetzt in Potsdam mit. Zuvor war der Bericht einer Expertenkommission zu dem Pharmaskandal an die Landtagsabgeordneten verteilt worden.

Golze hat ihren Rücktritt mit strukturellen Mängeln in ihrem Verantwortungsbereich begründet. Die Expertenkommission zum Arzneimittelskandal sei zu dem Schluss gekommen, dass es „eine in qualitativer und quantitativer Hinsicht personell unzureichend besetzte Fachaufsicht im Ministerium und eine den Anforderungen nicht entsprechende personelle Besetzung der Aufsichtsbehörde“ gegeben habe.

„Ich komme auf dieser Grundlage zu der Einschätzung, dass es sich nicht nur um Fehler einzelner Mitarbeiter des Landesamtes und des Ministeriums handelte. Es gab darüber hinaus auch strukturelle und organisatorische Mängel, für die letzten Endes die Ministerin die politische Verantwortung zu tragen hat“, sagte Golze. Sie habe deshalb Brandenburgs Regierungschef Dietmar Woikde (SPD) am Dienstagmorgen ihren sofortigen Rücktritt vom Ministeramt erklärt. Nachfragen ließ Golze bei ihrem Statement nicht zu. Damit blieb zunächst auch offen, ob sie den Vorsitz der Linkspartei im Land behalten will.

Woidke hat den Rücktritt von Golze als notwendig bezeichnet. „Ich halte den Schritt nicht nur für richtig, ich halte diesen Schritt auch für notwendig.“ Der Bericht der Expertenkommission habe gezeigt, dass es im Ministerium große Mängel in kommunikativen Abläufen, in der Organisation und in strukturellen Fragen gegeben habe. „Auf jeden Fall ist es richtig, dass Frau Golze dafür die politische Verantwortung übernimmt“, betonte der Regierungschef.

Die Linke-Fraktion war am Vormittag zu ihrer turnusmäßigen Sitzung zusammengekommen. Zuvor war der Bericht einer Expertenkommission zu dem Pharmaskandal an die Landtagsabgeordneten verteilt worden. Die Opposition im Landtag forderte Golzes Rücktritt, weil die Brandenburger Gesundheitsbehörden trotz Hinweisen jahrelang nicht gegen den Handel der Firma Lunapharm mit gestohlenen Krebsmedikamenten eingeschritten waren.

Der Bericht der Task Force wurde heute Vormittag zunächst an die Fraktion Die Linke verteilt. Nach dem Statement von Golze um 9.30 Uhr erhielten auch die anderen Fraktionen diesen Bericht. Die Task Force kommt darin zu dem Ergebnis, dass eine Gefährdung der Patienten nicht ausgeschlossen werden könne, da sich der Zustand der Arzneimittel nicht mehr feststellen lasse.

Ministerpräsident Woidke hatte bislang an seiner Gesundheitsministerin festgehalten. „Für mich gilt immer: erst die notwendigen Erkenntnisse und dann klar entscheiden“, sagte Woidke. „Wir nehmen uns die Zeit, die Rolle von Frau Golze und ihrer Staatssekretärin zu beurteilen, wenn der erste Bericht der Kommission vorliegt“, sagte der Regierungschef. Ein schneller Rauswurf Golzes, wie aus der Opposition gefordert, hätte laut Woidke dazu geführt, dass man einem Nachfolger erst Zeit zur Einarbeitung hätte geben müssen.

Lunapharm soll jahrelang in Griechenland gestohlene Krebsmedikamente an Apotheken und Großhändler in mehreren Bundesländern vertrieben haben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen sieben Beschuldigte wegen erwerbsmäßiger Hehlerei und Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz. Die Medikamentenaufsicht des Landes soll trotz früher Hinweise auf den illegalen Handel zunächst nicht durchgegriffen haben. Zwischenzeitlich wurde der Firma der Weiterbetrieb untersagt. Nach der Sitzung des Kabinetts am Dienstag will sich auch der Gesundheitsausschuss des Landtags in einer Sondersitzung unterrichten lassen.

Der Berliner FDP-Fraktionsvorsitzende Sebastian Czaja hatte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) aufgefordert, die mutmaßlich gestohlenen Krebsmedikamente zur Chefsache zu machen. „Obwohl das gesamte Bundesgebiet betroffen sein könnte, hört man von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn bisher überhaupt nichts. Herr Spahn muss jetzt einen Runden Tisch mit allen Gesundheitsminister der Länder einberufen und die Sorgen der betroffenen Patienten ausräumen. Die Aufklärung dieses Pharmaskandals muss von oberster Stelle geleitet werden – alles andere ist unterlassene Hilfeleistung. Im Lunapharm-Skandal darf nur eine Maxime gelten: absolute Transparenz und Aufklärung.“

Bei der zweiten Sondersitzung zum Lunapharm-Skandal im Brandenburger Landtag wurden neue Details über den illegalen Handel mit möglicherweise in Griechenland gestohlenen und unwirksamen Arzneimitteln bekannt. Das zuständige Gesundheitsministerium war danach – anders als bisher eingeräumt – deutlich früher über die Verdachtsmomente gegen Lunapharm informiert. Bereits im März 2017 lagen auch erste Hinweise auf mögliche Diebstähle in Griechenland vor.

Nach Angaben des Gesundheitsministeriums informierte der zuständige Dezernatsleiter bereits am 23. März 2017 das Ministerium über eine Inspektion bei Lunapharm wegen des „unrechtmäßigen Bezugs von Arzneimittel aus Griechenland“. Diese Mail ging an die für Arzneimittel zuständige Abteilungsleiterin im Ministerium. Derselbe Dezernatsleiter wandte sich dann am 28. März an das Bundeskriminalamt mit der Bitte um Unterstützung und verwies dabei auf Rechtshilfeersuchen aus Griechenland. Nach Angaben der AfD-Fraktion, die bereits Akteneinsicht erhalten hat, trug diese Mail den Titel „Inverkehrbringen von gestohlenen und doppelt abgerechneten Arzneimitteln“. In der Befragung von Golze durch den Ausschuss blieb unklar, ob diese Information auch die Leitungsebene des Ministeriums erreicht hat.

Mehrfach war die Entlassung von Golze in den vergangenen Wochen gefordert worden. Regierungschef Woidke hatte erklärt, vor einer Entscheidung erst den Expertenbericht abwarten zu wollen. Vergangene Woche hatte bereits Wirtschaftsminister Albrecht Gerber (SPD) seinen Rückzug aus privaten Gründen angekündigt. Damit muss Woidke nun ein Jahr vor der Landtagswahl gleich zwei neue Minister finden.

Im künftigen Kabinett wird die Linke nach den Worten von Fraktionschef Ralf Christoffers das Gesundheitsressort behalten. „Ja, selbstverständlich“, sagte Christoffers auf eine entsprechende Frage vor Journalisten. Linken-Co-Chefin Anja Mayer sagte, man werde jetzt in den Gremien beraten, wie es in der Partei weitergehe. Die Partei sei ein Jahr vor der Landtagswahl bereits sehr gut aufgestellt.

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