Porträt-Interview

Loveparade, E-Rezept und Bratensoße: Focus feiert Spahn ab

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Berlin -

In der aktuellen Ausgabe des Focus hat sich dessen stellvertretender Chefredakteur Jörg Harlan Rohleder an einer Kurz-Hagiographie über Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) versucht. Als Teil der Reihe „Rohleders ABC“ interviewte er Spahn und wühlt kräftig in dessen Privatleben. Neben viel Lobhudelei schafft er es, Spahn einige wenige interessante Statements zu entlocken.

„Jens Spahn kennt keine Furcht“ – schon zu Beginn wird klar, wohin die Reise geht. Als er Rohleder am vergangenen Montagmorgen zum Gespräch empfangen hat, habe er noch nicht wissen können, dass er wohl eine der stressigsten Wochen seiner Amtszeit vor sich hat: Das Coronavirus kam gerade an. Obwohl die Nachrichten „ähnlich wie der Erreger selbst, viral gegangen“ seien, habe „Team Spahn besonnen reagiert“, so Rohleder. „Der Mann, der für laute Ansagen – vor allem während der Flüchtlingskrise 2015 – bekannt wurde, agierte diesmal leise und souverän.“

Ein Geschmäckle bekommt diese Art von Journalismus, wenn man bedenkt, dass Spahns Ehemann Daniel Funke das Hauptstadtbüro des Burda-Verlags, der den Focus herausgibt, leitet – er ist für die Beziehungen des Hauses ins Regierungsviertel und damit zu Politikern wie Spahn verantwortlich. Und eine wirklich kritische Frage sucht man denn auch vergebens auf fünf Seiten im Spahn-Interview, dafür wühlt der Focus-Vize ausgiebig in Spahns Privatleben – entlockt ihm aber auch ein paar Einschätzung zur aktuellen Gesundheitspolitik.

Doch erst einmal muss es kräftig menscheln. Ob er damals „Bammel“ gehabt habe, 2002 als jüngster Bundestagsabgeordneter aller Zeiten nach Berlin zu ziehen. Hatte er nicht, antwortet Spahn, er kannte Berlin schließlich schon, weil er mit seiner Ortsgruppe der Jungen Union auf der Loveparade war. Dort ging es ihm aber nicht nur um Tanz und Techno. „Haben Sie dort nicht auch Mitglieder geworben?“, will der Focus wissen. „Später dann, ja. Allerdings gab es bei uns die Loveparade immer nur in Verbindung mit einem Besuch im Bundestag.“

Besonderes Interesse hat Rohleder offenbar an Spahns Sexualität. Auf die kommt er im Laufe des Interviews immer wieder zurück und bohrt nach, wobei es ihm anscheinend kaum zu intim werden kann. Selbst nach Quickies versucht er Spahn auszufragen. Der bügelt teilweise routiniert ab, teilweise geht er darauf ein und weiß natürlich, wie er dabei seine Wählerklientel bei Laune hält: „Gab es einen Konflikt mit dem Glauben?“, will Rohleder über seine Jugend auf dem Dorf wissen. „Nö. Das mag an der katholischen Leichtigkeit des Dorflebens liegen. Und: Man kann ja beichten.“ Zum Ende gibt Spahn ihm immerhin noch mehr oder weniger elegant einen mit: Zum Abschluss will Rohleder wissen, ob es denn nicht eine Pionierleistung wäre, wenn Spahn als erster schwuler Mann Bundeskanzler würde. „Es wäre eine Pionierleistung, wenn solche Kategorien keine Fragen mehr wären!“, gibt er ihm zurück.

Aber auch andere, sehr private Themen sind kein Tabu, beispielsweise eine psychische Erkrankungen in Spahns Familie. Immerhin resultiert daraus ein gesundheitspolitisch relevantes Thema: Denn die US-Arzneimittelbehörde FDA hat Psilocybin, dem psychoaktiven Wirkstoff sogenannter Magic Mushrooms, kürzlich eine Priority Review als Mittel in der Depressionstherapie zugestanden. Spahn zeigt sich offen für einen ähnlichen Weg in Deutschland. „Wenn in klinischen Studien ein positiver Effekt nachgewiesen werden kann, ist grundsätzlich eine Zulassung möglich. Aber eben als Arzneimittel, nicht als Rauschmittel“, so Spahn. Er werde sich „sehr genau anschauen, zu welcher Einschätzung die Kollegen in Amerika kommen“.

Sonstige gesundheitspolitische Themen werden im Parforceritt abgehakt. Das E-Rezept? Kommt unbedingt. Und ist es „so fälschungssicher wie die Sauklaue von Dr. Huber?“, fragt ihn Rohleder. „Wer ist Dr. Huber?“, hakt Spahn offenbar verwirrt nach. „Mein Hausarzt“, so der Interviewer. „Sehr viel sicherer.“ Thema beendet. Dafür offenbart Spahn, was für ihn mindestens die nächsten beiden Jahre politische Priorität genießt: Ganz oben auf der Agenda für die zweite Hälfte seiner Amtszeit steht nicht das E-Rezept, sondern die elektronische Patientenakte.

Ehrlich zeigt sich Spahn, als er nach seiner gescheiterten Initiative zur Neuregelung der Organspende gefragt wird. Er sei besonders stolz auf die Debatte darüber, sei aber „sehr enttäuscht“, dass sein Entwurf nicht angenommen wurde. „Weil ich wirklich von der Widerspruchslösung überzeugt bin.“ Beim Thema Homöopathie wiederum kann Rohleder Spahn nicht dazu verleiten, erneut Partei für die Erstattungsfähigkeit zu ergreifen. Es bedürfe Wettbewerb zwischen den Kassen, aber „nicht mehr als das, was heute rechtlich möglich ist“, so der Minister. „Da ist es doch gut, dass manche Kassen die Kosten für Alternativmedizin wie Globuli übernehmen“, hakt Rohleder nach. Spahn: „Der Unterschied muss jetzt nicht per se bei Globuli stattfinden.“ Auch über Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer und Bundeskanzlerin Angela Merkel kann er ihm kein schlechtes Wort entlocken. Dafür findet er heraus, was Spahn vor dem Gang zum Schafott essen würde: die Klöße seiner Mutter und dazu „schöne dicke Bratensoße“.

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