Gespräch mit Abda-Präsidentin

Lohnt sich die Selbstständigkeit noch, Frau Overwiening?

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Berlin -

Mit der Erhöhung des Kassenabschlags würde man Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) nicht durchkommen lassen, hatte Abda-Präsidentin Gabriele Overwiening noch im September kämpferisch zu Protokoll gegeben. Doch die Erhöhung des Zwangsrabatts von 1,77 auf 2 Euro wurde im Oktober beschlossen und trat Anfang des Monats in Kraft. Im Gespräch mit APOTHEKE ADHOC erklärt Overwiening, wie sie heute darüber denkt und wie der Berufsstand künftig auf politische Angriffe reagieren wird.

Seit zwei Jahren ist Overwiening an der Spitze der Berufsorganisation. Die erste Halbzeit war geprägt von Corona, das zweite Jahr von der Bundestagswahl und einer neuen Regierung mit ganz anderer Ausrichtung. Die Kommunikation mit dem neuen Minister Lauterbach war anfangs schwierig, hat sich Overwiening zufolge aber deutlich verbessert. „Ich bekomme viel Resonanz aus der Politik, dass sie mehr verstehen und wahrnehmen, was Apotheken leisten.“ Dennoch bleibt für sie als Zwischenfazit: „Um dem Anspruch, den ich an das Amt habe, zu entsprechen, um mit meiner Arbeit für die Kolleginnen und Kollegen zufrieden sein zu können, hätte ich in diesen zwei Jahren mehr Erfolg haben müssen.“

Erhöhung des Kassenabschlags trifft Apotheken

Dazu zählt vor allem der Kassenabschlag. Dass die Apotheken dennoch einen Sparbeitrag zum GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG) leisten mussten, konnte die Abda-Präsidentin nicht verhindern. „Aber ich bin überzeugt, dass Herr Lauterbach im stillen Kämmerlein bereut, dass er die Apotheken mit der Erhöhung des Kassenabschlags schmerzlich getroffen hat.“

Denn die Folgen für den Berufsstand seien nicht nur eine finanzielle Belastung von rund 240 Millionen Euro, sondern auch ein psychologischer Tiefschlag. „Das sage ich den Verantwortlichen in jedem Gespräch: Was Sie damit angerichtet haben in Bezug auf die innere Bereitschaft der Apothekerschaft, für die Gesellschaft Gutes zu tun, das werden Sie erst im Laufe der nächsten Jahre sehen.“

Nachwuchsprobleme teilweise hausgemacht

Teil dieser Entwicklung ist der kontinuierliche Rückgang der Apothekenzahl. „Ich hätte mir gewünscht, dass weniger Apotheken schließen. Dass mehr Kolleginnen und Kollegen Spaß an ihrem Beruf haben und sich mehr junge Menschen dafür interessieren.“ Overwiening berichtet von Gesprächen mit jungen Apotheker:innen, die von einem avisierten Kauf einer Apotheke Abstand genommen hätten – wegen des GKV-FinStG. „Weil ihnen bewusst wurde, dass die Politik uns keine Planungssicherheit geben will, dass Politik mit uns auch Achterbahn fahren kann, wenn sie gerade eine passende Mehrheit zu organisieren schafft.“

Overwiening muss den Spagat schaffen, gegenüber Politik und Öffentlichkeit die schwierige Lage der Apotheken klar zu benennen, ohne die nächste Generation zu verschrecken. „Wir bekommen auch deshalb keinen Nachwuchs, weil wir immer wieder schlecht, ja manchmal apokalyptisch darüber sprechen, was den Apothekenalltag und die Zukunftssicherung der Apotheken betrifft “, so die Abda-Präsidentin.

Doch nicht nur für junge Apotheker:innen müsse es sich lohnen, das Risiko der Selbstständigkeit einzugehen. Es seien auch deshalb in den vergangenen Jahren so viele Apotheken vom Netz gegangen, weil sich die Inhaber:innen die Frage gestellt hätten, ob sich die selbständige Tätigkeit für sie noch lohnt.

Das Risiko der Selbstständigkeit

Im Moment sei die flächendeckende Versorgung noch sichergestellt. „Die Frage wird immer sein, auf welchem Niveau und mit welcher Belastung für die übriggebliebenen Apotheken?“, so Overwiening. Ihre Antwort: „Es muss Geld ins System. Wir müssen bereit sein, auszusprechen, dass wir für das, was wir tun, auch Geld haben wollen. Das, was wir leisten, ist so viel mehr wert als das, was wir bekommen.“

In der Grundvergütung seien die Apotheken heute schlechter gestellt als vor zehn Jahren. Zusätzliche Honorare für den Botendienst oder pharmazeutische Dienstleistungen dagegen aufzurechnen, sei „Augenwischerei“, so Overwiening. Denn dafür leisteten die Apotheken schließlich Zusätzliches. „Und es ist auch nicht kostendeckend, es ist nur bezuschusst.“

Abda fordert Honorarerhöhung

Overwiening will dem Berufsstand eine positive, offensivere Haltung zurückgeben: Die Apotheken müssten sich immer wieder bewusstmachen, was sie für das Gesundheitssystem leisten. „Ohne uns wäre die Arzneimittel- und damit auch die Gesundheitsversorgung in diesem Herbst zusammengebrochen. Wir haben vor Ort den sozialen Frieden gesichert.“ Overwiening weiter: „Und die Gesellschaft muss erkennen, was sie aufs Spiel setzt, wenn sie uns nicht entsprechend würdigt – sowohl im Hinblick auf Reputation als auch in Bezug auf unsere Honorierung . Wir brauchen in den nächsten zwei Jahren ein Honorierungskonzept, was die Apotheke stabilisiert.“

Doch statt einer Honorarerhöhung bekommen die Apotheken nun zunächst einen höheren Zwangsrabatt aufgedrückt. Wie will sich die Abda künftig gegen solche Maßnahmen wehren? „Also ich bin davon überzeugt, dass sich die Apothekerschaft keine weiteren Kürzungen, Beschneidungen, Einschränkungen gefallen lassen wird. Das kann sie auch nicht“, so Overwiening. Würde die Abda zum Streik aufrufen? „Wozu genau wir dann aufriefen, das kann ich Ihnen nicht sagen, aber wir würden es nicht einfach passieren lassen.“

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