Der Besuch von Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) bei der niederländischen Versandapotheke DocMorris hat bei Apothekern für Empörung gesorgt. Dort informierte sich Zypries über neue E-Health-Anwendungen. Darin sieht sie unter anderem Chancen für die Arzneimittelversorgung auf dem Land. Die Verbindungen von DocMorris zur SPD-Politikerin beim Thema Digitalisierung reichen aber schon weiter zurück: Bereits 2014 finanzierte DocMorris ein Sponsorengespräch mit der damaligen Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium (BMWi).
Am 27. Juni 2014 traf sich Zypries mit handverlesenen Gästen auf Einladung der SPD-Agentur Network Media (NWMD) und hielt einen Vortrag zum Thema „Datenschutz und Digitalisierung im Spannungsfeld zwischen Wirtschaftsinteressen und Demografie“. Bezahlt wurde das Sponsorengespräch von DocMorris. Kosten: 4000 Euro. Nach SPD-Angaben wurden die Themen in der Regeln von der Agentur beziehungsweise von den SPD-Politikern selbst ausgewählt. In Einzelfällen habe es „Themenimpulse“ von den Sponsoren gegeben. Die letzte Entscheidung habe aber stets beim Politiker gelegen.
Nach einem Bericht des ZDF-Politikmagazin Frontal 21 über die gesponserten „Vorwärts-Gespräche“ von SPD-Politikern mit Interessenvertretern, stellte die SPD diese Art der Kommunikation sofort ein. Gegen Zahlung von 3000 bis 7000 Euro konnten zuvor Unternehmen und Lobbygruppen Treffen mit SPD-Ministern, Staatssekretären und Parteifunktionären buchen.
Auch ein zweites Mal war dabei DocMorris aktiv: Nach einem internen SPD-Dossier zu den Vorgängen gab es am 13. Mai 2013 einen weiteren von DocMorris gesponserten Termin mit der damaligen Hamburger Senatorin für Gesundheits- und Verbraucherschutz, Cornelia Prüfer-Storcks. DocMorris zahlte 5000 Euro und der Pharmakonzern Sanofi ebenfalls 5000 Euro. Vermutlich mit Auswirkungen auf die Gästeliste: „An jedem der gesponserten Gespräche haben Vertreter des jeweiligen Sponsors als Gäste teilgenommen“, so das SPD-Dossier.
Danach gab es im Zeitraum 2010 bis 2016 insgesamt 64 sogenannte „Vorwärts-Gespräche“, davon wurden 35 gesponsert. In keinem Fall sei an die teilnehmenden SPD-Keynote-Speaker ein Honorar gezahlt worden, beteuert die SPD. Es habe auch „keine Vergünstigungen oder ähnliches seitens der Sponsoren“ gegeben. Keiner der Keynote-Speaker sei über die Modalitäten des Sponsorings informiert gewesen. Das umfasse die Höhe des Sponsorings und den Kontakt zwischen Sponsoren und NWMD.
Aber bekannt war den SPD-Politiker das Sponsoring schon: „Den politischen Keynote-Speakern wurden in den meisten Fällen lediglich die Unterstützer genannt, ohne dass dies näher ausgeführt wurde.“ In einigen Fällen sei der globale Hinweis auf Unterstützer unterblieben. Es sei für keinen der Keynote-Speaker ersichtlich gewesen, ob die „Unterstützer“ nur einen Teil des Essens bezahlt oder aber in einer direkten Geschäftsbeziehung mit NWMD gestanden hätten.
Mit den Sponsorenterminen hat die SPD nicht gegen die Regeln der Parteienfinanzierung verstoßen. Allerdings räumte die SPD ein, „dass im Hinblick auf die notwendige politische Sensibilität für eine sozialdemokratische Agentur eine Neujustierung des Unternehmens erforderlich ist.“ Die NWMD-Geschäftsführung wurde ausgewechselt und ein „Compliance-Prozess“ eingeleitet. Bereits am Tag nach Erscheinen des Berichts von Frontal 21 wurden die Vorwärts-Gespräche eingestellt.
Der SPD Parteivorstand beschloss daraufhin im Dezember 2016 neue Sponsoring-Richtlinien: Die Präsenz als Aussteller oder Sponsor bei einer Veranstaltung der SPD auf Bundesebene ist danach nur noch möglich, wenn diese zustimmen, dass die Höhe der Zahlung mit dem Namen des Sponsors auf der Homepage der SPD im Bereich „Finanzen“ veröffentlicht wird. Auch DocMorris hat mit dem Sponsoring keine Regeln verletzt. DocMorris zählt außerdem seit Jahren zu den regelmäßigen Sponsoren von Parteitagen verschiedener Parteien, in dem die Versandapotheke am Veranstaltungsort einen Stand mietet. Dort bieten sich dann Gelegenheiten für politische Kontakte.
Beim kürzlich erfolgten DocMorris-Besuch äußerte sich Zypries erwartungsgemäß positiv zur Digitalisierung: „Die fortschreitende Digitalisierung im Gesundheitswesen bietet uns die Chance, gerade in ländlichen Regionen die medizinische und pharmazeutische Versorgung der Bevölkerung zu verbessern und zu erleichtern. Unser Ziel muss es daher sein, Hemmnisse weiter abzubauen und Innovationen mehr Luft zum Atmen zu geben, um die Digitalisierung der Gesundheitswirtschaft voranzutreiben.“
Im Koalitionsstreit um das Rx-Versandverbot hatte sich die Wirtschaftsministerin gegen Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) und auf die Seite der Versandapotheken gestellt und eine Antwort der Bundesregierung auf das EuGH-Rx-Boni-Urteil blockiert: „Wir wollen den Versandhandel nicht völlig verbieten, da er gerade im ländlichen Raum und für chronisch kranke Menschen große Vorteile bringt. Deshalb sind wir derzeit in Gesprächen, um über eine geeignete Regelung Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden“, sagte Zypries in einem Zeitungsinterview. Es sei aber „befremdlich“, dass in diesen Zeiten, in denen überall der Internet-Handel wachse, eine Sparte völlig ausgenommen werden solle.
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