Die Bundesregierung hat bei der Erarbeitung des Entwurfs für das Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz (VOASG) fast alle relevanten Standesvertretungen konsultiert – auch Vertreter der Versandapotheken. Das geht aus der Antwort auf eine Kleine Anfrage der linken Bundestagsabgeordneten Sylvia Gabelmann hervor. In Anfrage und Antwort liefern sich Regierung und Opposition einen kleinen Schlagabtausch zum Thema parlamentarische Kontrolle. Zum Skandal taugt das Thema trotzdem nicht.
Die Wetten stehen derzeit gegen das VOASG: In Regierungskreisen geht man eher davon aus, dass die EU-Kommission den Entwurf kassiert. Eine Menge Arbeit umsonst, könnte man fast sagen, denn Ministerium und Regierung haben nicht nur intern diskutiert und gefeilscht, sondern auch die Fühler in alle Ecken der Branche ausgestreckt. Wie strikt sich das Haus von Jens Spahn (CDU) dabei an das Prinzip des liberalen Korporatismus gehalten hat oder sich doch von Lobbyinteressen beeinflussen ließ, wollte die Linke mit ihrer Anfrage nach der „Einflussnahme von Interessenvertreterinnen und Interessenvertretern auf den Gesetzentwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken“ in Erfahrung bringen.
Besonders vor dem Hintergrund der mutmaßlichen Einflussnahme von Kohlpharma-Geschäftsführer Jörg Geller auf den Erhalt der Importquote hat sich bei der Linken aber einiges an Misstrauen breitgemacht. „Die Bundesregierung scheint immer unwilliger, diese Art von Anfragen zu beantworten, nachdem sie sich vor gut einem halben Jahr mit Minister Altmaiers Telefonaten mit Kohlpharma ein wenig verplappert hatte“, heißt es dazu aus der Bundestagsfraktion.
Grundlegend gegen einen Austausch der Bundesregierung mit Interessenvertretern aus dem Gebiet, auf dem sie an einem Gesetz arbeitet, will sich die Partei dabei aber trotzdem nicht positionieren – „sondern ganz im Gegenteil: das ist sogar wichtig“, hieß es in der Anfrage. Dabei sei jedoch vor allem eines von Bedeutung: Transparenz. Das beteuert das BMG in seiner Antwort ebenfalls, schränkt jedoch ein, es sei „weder rechtlich geboten noch im Sinne einer effizienten und ressourcenschonenden öffentlichen Verwaltung leistbar“, wenn sie alle entsprechende Informationen und Daten von Veranstaltungen, Sitzungen und Terminen vollständig erfassen und entsprechende Dokumentationen darüber erstellen würde.
Denn das Ministerium fühlt sich wohl doch etwas zu sehr auf die Finger geschaut. Parlamentarische Kontrolle sei „politische Kontrolle, nicht administrative Überkontrolle“ kritisiert sie die Linken, denen sie unterstellt, gleichlautende Anfragen zu verschiedenen Gesetzesvorhaben einzureichen, „deren Auswahl soweit erkennbar als eher zufällig erscheint“. Vor allem aber bezieht sich die angebliche Überkontrolle auf die Detailversessenheit der Linken-Fraktion: Die will nämlich unter anderem wissen, welcher externe Akteur wann welchen Formulierungs- oder konkreten Regulierungsvorschlag gemacht hat, welcher Kontakt auf wessen Initiative stattfand, ob Aufzeichnungen von einem Treffen gemacht wurden und dergleichen. Sprich: Hat DocMorris-Chefstratege Max Müller irgendjemandem die Höhe des Bonideckels ins Ohr geflüstert?
Derlei Fragen bügelt die Regierung ab. Das parlamentarische Informationsrecht stehe unter dem Vorbehalt der Zumutbarkeit, wendet sie ein. Durch 57 gleichlautenden Anfragen allein zwischen dem 19. Dezember 2018 und dem 12. März 2019 seien insgesamt 4674 Überprüfungen notwendig geworden. Das habe „die Grenzen der Zumutbarkeit erheblich überschritten“. Und so beschränkt sich Minister Spahns Haus auch darauf, entgegen der Anfrage lediglich Zeitpunkt und beteiligte Personen aufzuführen – ohne deren Vollständigkeit zu garantieren.
Die Auflistung enthält dann auch wenige Überraschungen: Im wesentlichen hat sich die Regierung mit dem Who is Who der Standesvertrungen beraten, angefangen bei ABDA-Präsident Friedemann Schmidt, dem DAV-Vorsitzenden Fritz Becker, BAK-Präsident Dr. Andreas Kiefer bis zu Adexa-Vorstand Andreas May. Ein gewisser regionaler Einschlag lässt sich bei Vertretern aus Spahns Heimat erkennen: Die Apothekerkammern und -verbände Nordrhein und Westfalen-Lippe sind überrepräsentiert, beispielsweise durch AKWL-Präsidentin Gabriele Overwiening, die gleich dreimal vorkommt, oder durch den damaligen Nordrhein-Kammerpräsidenten Lutz Engelen.
Mit dem bayerischen Kammerpräsidenten Thomas Benkert und seiner hessischen Amtskollegin Ursula Funke sind allerding auch andere Bundesländer vertreten. Da es um ein Gesetz geht, das insbesondere auch Versandapotheken regulieren soll, kamen deren Vertreter auch zu Wort, beispielsweise in Form von nicht namentlich genannten Vertretern des Bundesverbandes Deutscher Versandapotheken sowie der European Association of Mail Service Pharmacies oder Gero Furchheim und Herrn Martin Groß-Albenhausen vom Bundesverband E-Commerce und Versandhandel. Wer dabei natürlich nicht fehlen durfte: Max Müller. Er traf sich laut Antwort am 19. Juni 2019 mit Kanzleramtschef Helge Braun.
Anfrage-Initiatorin Gabelmann kritisiert vor allem die letztgenannten Treffen und verweist auf das erwartete Scheitern des Gesetzes: "Vielleicht hätte sich das BMG weniger mit Interessensvertretern und mehr mit EU-Rechtlern treffen sollen. Und das Bundeskanzleramt weniger mit Lobbyisten des Versandhandels und mehr mit Menschen, die etwas von pharmazeutischer Betreuung verstehen“, so die studierte Pharmazeutin. Macht aber nichts, denn vom „faulen Kompromiss“ im Apothekengesetz halte sie ohnehin nichts und findet es „eher erfreulich“, dass „der Eiertanz zwischen den gewünschten marktliberalen Reformen und Klientelpolitik trotz aller Lobbykontakte schief gegangen ist“. Stattdessen brauche es nun eine saubere und tragfähige Lösung. „Und die kann für mich nur aus dem Verbot des Rx-Versandhandels bestehen“, so Gabelmann.
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