Lindner: PTA-Versteher, Apotheker-Kritiker Silvia Meixner, 13.07.2017 13:57 Uhr
FDP-Chef Christian Lindner wird auf einer turbulenten Veranstaltung der Universität Bochum von linken Studenten gegrillt. Sie werfen ihm vor, dass Nicht-EU-Bürger in Deutschland Studiengebühren bezahlen müssen. Lindner springt in die Bresche – aber nur für die PTA, weil's grade passt. Die Apotheker bekommen eine aufs Dach.
„Die Studienbedingungen sind seit 2010 schlechter geworden – wer leidet darunter?“, fragt Lindner. Seine Antwort: „Die PTA, die in einer Apotheke arbeitet. Sie bezahlt ihre Ausbildung – der Apotheker hat seine Ausbildung umsonst.“ In der Aufregung hat er das falsche Wort erwischt, denn umsonst ist das Pharmaziestudium ja hoffentlich nicht; bestenfalls ist es kostenlos. Das Fatale an seiner Aussage: Die 154.000 deutschen PTA freuen sich vielleicht über das unerwartete Lob. Und die mehr als 50.000 Apotheker? Werden ihn sowieso nicht (mehr) wählen?
Apotheker Esam Al-Talibi-Hahn aus der Aesculap-Apotheke im hessischen Friedberg ist ratlos: „Christian Lindner hat mal wieder die Apotheke im Visier. Warum mal wieder gerade die Apotheker? Was hat die FDP vor?“ Unterhaltsam war die Uni-Veranstaltung für Lindner jedenfalls nicht. Es ging unter anderem um die Studienbedingungen, von an gab es lautes Gebrüll, Pfui-Rufe und ein bisschen Tumult.
Ohnehin kann man davon ausgehen, dass Lindner die Interessen der PTA nur zufällig im Blick hatte. In Nordrhein-Westfalen hatte es seine Partei nach der Landtagswahl in die neue Regierung geschafft. Und die Apotheker hatten im Wahlkampf dem Koalitionspartner CDU das Versprechen abgerungen, dass sich das Land – nach Kräften – wieder finanziell an der PTA-Ausbildung beteiligt. Eine entsprechende Passage, natürlich allgemein gehalten, hatte es in den Koalitionsvertrag geschafft.
Unterhaltsam war die Uni-Veranstaltung für Lindner jedenfalls nicht. Es ging unter anderem um die Studienbedingungen, von Anfang an gab es lautes Gebrüll, Pfui-Rufe und ein bisschen Tumult.
Der FDP-Chef gab sich väterlich: „Ich möchte an das Prinzip der Toleranz erinnern. Jetzt kommt meine Meinung!“ Wäre ja noch schöner, wenn die Studenten dem FDP-Chef die Butter vom Brot nehmen könnten. „Ich finde es gut, dass Ihr Euch hier einbringt, aber noch besser hätte ich es gefunden, wenn Ihr auch für eine gute Bildung gestritten hättet.“
Hätte, hätte, Fahrradkette? Das mit dem Früher interessiert die Studenten nicht wirklich. Sie werfen Lindner Rassismus vor, weil die FDP die Studiengebühren für Menschen aus Drittstaaten nicht abschaffen will. Einer ruft: „Wir sagen Nein, wir werden die Studiengebühren verhindern!“ Nicht alle sind höflich: „Verpiss‘ dich!“, schreit einer. Lindner darauf: „Das Problem der Linken ist, dass sie nur glauben, die Wahrheit zu besitzen.“ Damit erntet er Applaus und Buh-Rufe.
Immer wieder schreit eine schrille Frauenstimme Unverständliches in den Hörsaal. Der FDP-Chef versucht es mit einem seltsamen Machtwort: „Jetzt mal still, wir sind hier nicht in Hamburg!“ Gelächter. Applaus. Ob das in einer Hamburger Uni auch so gut angekommen wäre?
Lindner versucht‘s mit Argumenten: „Wir haben in Deutschland ein gebührenfreies Studium und trotzdem ist der Hintergrund der Eltern in Deutschland so entscheidend. Womit hängt das zusammen?“ Die Studis kommen gar nicht zum antworten, das macht der Chef persönlich: „Weil hier bei uns in Deutschland – gerade in Nordrhein-Westfalen von der SPD und den Grünen – die Kindergärten ausgeblutet worden sind, keine Sprachförderung passiert ist. Reiche Eltern kompensieren das, wo es keine Zuwendung und kein Geld gibt, kommen die Kinder gar nicht erst an die Hochschule. Jetzt bin ich interessiert, wie die Gerechtigkeitstheoretiker das beurteilen.“
Wie die Apotheker Lindners Auftritt beurteilen, kann er sich nach der Bundestagswahl ausrechnen. Die einstige Kernklientel wurde mal wieder vorgeführt, zumindest teilweise. Mal sehen, wie viele der gelobten PTA ihre Wählerstimme der FDP geben werden. Oder ob sie sich solidarisch mit ihren Vorgesetzten zeigen. Die Spaltung geht durch die Offizin? Dazu war der Auftritt in Bochum zu klein.