In einem Positionspapier fordert Finanzminister Christian Lindner eine grundlegende Kehrtwende in der Wirtschafts- und Finanzpolitik. Auch auf die Gesundheitspolitik kommt der FDP-Politiker in seinem 18-seitigen Papier zu sprechen. Mehr Geld möchte er hier augenscheinlich auch in Zukunft nicht in die Hand nehmen. Stattdessen fordert er, „Effizienzreserven“ zu heben.
Streit in der Ampel ist schon lange nichts Ungewöhnliches mehr, ganz besonders, wenn es um Geld geht. Am Freitag wurde ein Konzeptpapier aus dem Finanzministerium mit dem Titel „Wirtschaftswende Deutschland – Konzept für Wachstum und Generationengerechtigkeit“ öffentlich, das seitdem Wellen schlägt.
Auf 18 Seiten fordert Lindner „eine Wirtschaftswende mit einer teilweise grundlegenden Revision politischer Leitentscheidungen“, um „Schaden vom Standort Deutschland abzuwenden“. Deutschland brauche eine „Neuausrichtung seiner Wirtschaftspolitik“, so der Finanzminister. Unter anderem fordert er ein Moratorium neuer Regulierungen und Bürokratie für drei Jahre, die Abschaffung des Solidaritätszuschlags und Abstriche in der Klimapolitik.
Lindner mahnt in seinem Papier aber auch – wenigstens am Rande – Probleme im Gesundheitswesen an. Die staatlichen Systeme für Gesundheit und Pflege stünden durch den demografischen Wandel unter Druck. Ein steigender Anteil älterer Menschen führe allein schon zu einem höheren Kostendruck, erklärt er. Hinzu kämen „ungünstige Kostenentwicklungen beispielsweise bei Arzneimitteln oder steigende Personalkosten, vor allem infolge zunehmender Engpässe auf dem Arbeitsmarkt bei vergleichsweise geringem Automatisierungspotenzial“.
Diese Kosten dürften nicht durch steigende Beiträge refinanziert werden, mahnt der Minister, das habe nämlich eine weitere Schwächung der Arbeits- und Beschäftigungsanreize zur Folge.
Um den Kostendruck zu mindern, fordert er stattdessen „Reformen zur Hebung von Effizienzreserven“. Wie diese aussehen sollen, lässt er allerdings offen. Klar scheint aber, dass der FDP-Chef kein Interesse daran zu haben scheint, seitens der Regierung mehr Geld für die Gesundheitsversorgung locker zu machen. Vielmehr möchte er die Mehrkosten durch Effizienzsteigerung refinanzieren.
„Grundsatzpapiere sind kein Schaden, aber sie ersetzen keine Gesetze. An vielen guten Gesetzen, die jetzt im Parlament sind, wurde lange gearbeitet. Vorher gab es dort oft Stillstand, die Koalition aber liefert. Viele, die jetzt hetzen, waren der Stillstand“, kritisiert Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) auf der Plattform X.
Felix Banaszak (Grüne) warf Lindner in der ARD-Sendung Bericht aus Berlin sogar vor, „in alles andere hineinregieren zu wollen“, statt konkrete Vorschläge bezüglich des immer noch bestehenden Haushaltslochs zu erarbeiten. Er glaube auch nicht, dass Lindner glaube, dass er solche Vorschläge mit den Grünen durchgesetzt bekäme „Dieses ganze Papier atmet dem Geist davon: Ich will eigentlich nicht mehr“, so Banaszak.
Lob bekommt Lindner dagegen von der Opposition. So erklärte Union-Vorsitzende Friedrich Merz, das FDP-Wirtschaftspapier gehe „in die richtige Richtung“. Thorsten Frei (CDU) sagte in einer Aktuellen Stunde im WDR, Linder mache in seinem Papier eine „richtige ökonomische Analyse“, erklärte Lindners Vorschläge seien das Gegenteil von dem, was die Koalitionspartner Grüne und SPD bereit wären zu tun, so Frei weiter. Er sehe in dem Papier „die ultimative Scheidungsurkunde der Koalition“.
Optimistischer scheint auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Er gehe davon aus, dass die Regierung bis zu den Wahlen im September nächsten Jahres im Amt bleibe, erklärte ein Sprecher gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Der Kanzler wolle sich nun mit Lindner und Wirtschaftsminister Robert Habeck treffen, um eine gemeinsame Basis für die Wirtschaftspolitik zu erarbeiten.
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