Lindholz (CSU): Spahn wurde ausgebremst dpa, 29.04.2021 08:33 Uhr
Große Krisen wie die Corona-Pandemie sollten nach Einschätzung der Vorsitzenden des Bundestagsinnenausschusses, Andrea Lindholz (CSU), nicht von Politikern gemanagt werden, sondern von einem mit Fachleuten besetzten Krisenstab. „Ein solcher Bund-Länder-Krisenstab ist bis heute nicht einberufen worden“, kritisierte die CSU-Politikerin. „Das Kanzleramt hat die Sache an sich gezogen“, fügte sie hinzu.
Tatsächlich existiert schon seit Jahren ein detaillierter Plan, in dem festlegt ist, wie das Bundesinnenministerium auf Antrag eines Ressorts oder betroffener Länder „bei lang anhaltenden, länderübergreifenden Gefahren- oder Schadenslagen mit hohem Abstimmungs- und Beratungsbedarf“ eine Interministerielle Koordinierungsgruppe von Bund und Ländern einberufen kann. Zu den Aufgaben der Koordinierungsgruppe gehört es demnach „eine abgestimmte Bund-Länder-Kommunikationsstrategie zu erarbeiten“. Geschäftsstelle für diesen Krisenstab wäre das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) in Bonn.
„Als ich einmal gefragt habe, weshalb dieser Krisenstab nicht aktiviert wurde, hat man mir geantwortet, es gäbe doch die Ministerpräsidentenkonferenz“, sagte Lindholz. Die Runde von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den 16 Regierungschefs sei als „Dauerkrisenstab“ aber nicht geeignet, um eine so komplexe, zeitlich und örtlich nicht klar begrenzte Krise wie die Corona-Pandemie zu bewältigen.
Vielmehr müsse das Bonner Bundesamt zu einer starken Plattform für Bund und Länder ausgebaut werden, forderte Lindholz. Die bisherige Aufteilung – für Zivilschutz im Kriegsfall ist der Bund zuständig, für Katastrophenschutz die Länder – sei nicht mehr zeitgemäß. Bei länderübergreifenden Krisen wie der Corona-Pandemie müsse der Bund zudem bestimmte Kompetenzen an sich ziehen, so wie er es jetzt mit der Bundes-Notbremse ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von 100 getan habe. „Ich finde, das hätte man schon vor einem halben Jahr machen müssen“, sagte die CSU-Politikerin.
Die Entscheidung, zuerst die Bewohner von Alten- und Pflegeheimen gegen Covid-19 zu impfen, sei zwar richtig gewesen. Davon abgesehen sei die Priorisierung bestimmter Gruppen bei der Impfung aber „zu kleinteilig und zu unflexibel“. Die Fragen, die sich da stellten, seien nicht nur ein Fall für die Ständige Impfkommission oder den Ethikrat, sondern vor allem für die Ärzte vor Ort.
Die Impfkampagne laufe jetzt von Tag zu Tag besser, sagte Lindholz. Die Schuld für die anfängliche Verzögerung beim Impfen trage aus ihrer Sicht nicht Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). „Er war Mitte letzten Jahres bereit, schnell auch größere Mengen Impfstoff für Deutschland zu bestellen – bevor er ausgebremst wurde“, sagte die Ausschussvorsitzende. „Die Impfstoff-Beschaffung über die Europäische Union zu machen, war zwar europapolitisch nachvollziehbar, aber aus praktischer Sicht einfach unglücklich.“ An die EU solle man nur Aufgaben abgeben, wenn sie dafür „auch die dafür erforderlichen Kompetenzen hat – das war hier erkennbar nicht der Fall“. Daraus seien Lehren zu ziehen für den nächsten Krisenfall.