Normalerweise überlassen Publikumsmedien komplizierte Arzneimittelprobleme den Fachmedien. Jetzt schafften es die anhaltenden Lieferengpässe bei Arzneimitteln sogar in die ARD-Tagesschau. In einer Live-Schalte wurde AMK-Geschäftsführer Dr. André Said befragt. In einem anderen Beitrag kam Apotheker Klaus LangHeinrich zu Wort.
Der Geschäftsstellenleiter der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) sagte, dass aktuell einige Impfstoffe, Zytostatika, Antibiotika oder Antidiabetika schwer zu haben seien. Als einen von mehreren Gründen nannte Said eine Marktkonzentrierung. Einigen wenigen Herstellern würde die Produktion von Wirkstoffen für den weltweiten Markt obliegen.
„Der Ausdruck: ,Deutschland, die Apotheke der Welt' ist so nicht mehr haltbar“, sagte er, „wir sind einem globalisierten System.“ Es gebe viele attraktive Märkte, die für international agierende Unternehmen attraktiv geworden seien. Said forderte die Politik zum Handeln auf: „Hier gilt es für den deutschen Markt auf politischer Ebene gegenzusteuern, die Anreize wieder zu schaffen, damit Deutschland als Markt weiter adäquat beliefert wird.“ Es gehe hauptsächlich darum, die Anbietervielfalt zu erweitern, fügte der AMK-Experte hinzu. „Das ist aber kein deutsches Phänomen, sondern es muss auf europäischer und globaler Ebene geschehen.“
„Leider nicht verfügbar.“ Diesen Satz bekämen Patienten in Apotheken derzeit immer wieder zu hören, startete die ARD-Tagesschau ihren Bericht. Betroffen seien auch Klassiker wie Ibuprofen. Vorgestellt wurde Apotheker Klaus LangHeinrich, der als Vertretungsapotheker in mehreren Filialen arbeitet und überall dasselbe Problem erlebe: Viele Medikamente kann er gerade nicht ausgeben. Derzeit lägen laut Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) insgesamt 225 Meldungen über eingeschränkte Verfügbarkeit oder Lieferengpässe vor.
„Wir haben jeden Tag das Problem, dass wir eine Verordnung, so wie sie ausgestellt ist, zunächst nicht beliefern können und müssen dann versuchen, im Sinne des Patienten Alternativen zu finden“, sagt LangHeinrich im Tagesschau-Bericht. Es gebe aber auch Situationen, wo er keine Lösung für die Patienten habe. Er müsse sie dann ohne das – oft dringend benötigte – Medikament wegschicken.
Laut BfArM habe sich das Problem in den vergangenen Jahren verschärft: Im Jahr 2013 wurden dem Bundesinstitut nur 40 Mittel mit Lieferproblemen neu gemeldet, 2018 waren es schon 264. „Die Ursachen von Lieferengpässen sind vielfältig“, teilt das Bundesgesundheitsministerium der Tagesschau mit. „Globale Lieferketten mit einer Konzentration auf wenige Herstellungsstätten für Arzneimittel und Wirkstoffe können ein Grund für Lieferengpässe sein, aber auch Qualitätsmängel bei der Herstellung, Produktions- und Lieferverzögerungen bei Rohstoffen oder Produktionseinstellungen bei Arzneimitteln oder Marktrücknahmen aus verschiedenen Gründen.“
Hersteller, Behörden und Krankenkassen schöben sich gegenseitig die Schuld an der Misere zu. Nach Einschätzung des Bundesinstituts besteht „derzeit kein Anlass, grundsätzlich von einer besorgniserregenden Situation auszugehen“, berichtet die Tagesschau.
Dann kommt wieder Apotheker LangHeinrich zu Wort, der im Schnitt jeden Tag einen Kunden ohne Medikamente wieder nach Hause schicken müsse. „Seit einem Jahr kommt es zu diesen Engpässen und sie werden immer häufiger“, so LangHeinrich. Progenerika Geschäftsführer Bork Bretthauer forderte in der Tagesschau das Ende der Rabattverträge, mit denen die Krankenversicherungen einzelne Produzenten an sich bänden, um Kosten zu sparen: „Wir brauchen eine Öffnung dieser Ausschreibungen für mehrere Unternehmen“, so Bretthauer. Dann könne man die Versorgung auf mehrere Schultern verteilen.
Die Präsidentin der Gesundheitsministerkonferenz, Barbara Klepsch (CDU), sieht die Bundesregierung in der Pflicht. „Der Bund muss dieses Thema auf europäischer Ebene platzieren. Dort müssen die Regularien getroffen werden“, so Klepsch. „Dort müssen auch Mindestkapazitäten vorgehalten werden. Und wenn wir an Lösungsansätze denken, dann sollte man sicherlich auch bei Medikamentenengpässen über eine gewisse nationale Bevorratung nachdenken.“
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