BfArM: Frühzeitigere Information bei Lieferengpässen Nadine Tröbitscher, 10.10.2019 15:20 Uhr
Lieferengpässe nerven und bestimmen den Apothekenalltag. Schlimm genug, dass Arzneimittel in den Apotheken fehlen – es werden auch Defizite in der Informationskette bemängelt. Dies war Thema auf einem Jour Fixe beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Besprochen wurden außerdem aktuelle Engpässe sowie eine Erweiterung der Liste der versorgungsrelevanten Wirkstoffe.
Im Juli hatten die Teilnehmer des Jour Fixe – Vertreter der Arzneimittelkommissionen, Herstellerverbände, Behörden, Gesundheitsministerium, Länder, Phagro, ABDA und der Bundesverband deutscher Krankenhausapotheker (ADKA) – die Weiterentwicklung der Informationskette zu Lieferengpässen auf der Agenda. Fachkreise hatten sich des Öfteren über Defizite in der Informationskette beschwert, so das BfArM. Das Problem: Apotheken wurden vielfach erst kurz vor oder bei Eintreten eines Lieferengpasses informiert. Zeit für eine hinreichende Vorbereitung gab es nicht. Wünschenswert seien zudem belastbare Informationen über die Dauer und die Hintergründe des Lieferabrisses, um geeignete Maßnahmen zu treffen. „Das BfArM will daher die Möglichkeit schaffen, das BfArM bereits frühzeitig über einen sich andeutenden Lieferengpass zu informieren“, heißt es.
Im Vorfeld des Treffens wurden zehn Defektlisten anonymisiert zur Verfügung gestellt und vom BfArM ausgewertet. Das Ergebnis: Die Defekte decken ein breites Arzneimittelspektrum ab. Außerdem gehe die Liste über die Arzneimittel, die der Selbstverpflichtung unterliegen, hinaus.
Als beendet gelten Lieferengpässe bei Ibuprofen, Oxytocin und Pankreaspulver vom Schwein sowie Ampicillin-Natrium, Epinephrinhydrochlorid, Erythromycinlactobionat, Fludarabinphosphat (Ph. Eur.), Paromomycinsulfat (1:x), Piperacillin-Natrium, Tazobactam-Natrium, Sulbactam-Natrium, Ampicillin-Natrium und Valproinsäure, Natriumvalproat.
Von der im Juli aktuellen Liste der relevanten aktuellen Liefer- und Versorgungsengpässe ist weiterhin Levothyroxin als Injektionslösung für die Indikation Myxödem defekt. Ursache sind Produktionsprobleme. Daher werde das Arzneimittel weiterhin kontingentiert ausgeliefert. Der Lieferengpass von L-Thyroxin Henning inject könne nicht ausreichend durch die therapeutische Alternative Thyrotardin-inject (T3) kompensiert werden. „Eine Vermarktung mit reduziertem Haltbarkeitsdatum produzierter Batches wird trotz Out of Specification-Ergebnissen genehmigt“, heißt es. „Die Out of Specification-Ergebnisse haben nach Angabe des pharmazeutischen Unternehmers keinen Einfluss auf den Wirkstoff. Eine entsprechende Variation zu L-Thyroxin Henning inject wurde vom Unternehmer eingereicht und wird bevorzugt bearbeitet“, ist dem Jour Fixe zu entnehmen.
Die Liste der als versorgungsrelevant beziehungsweise mit einem akut erhöhten Versorgungsrisiko eingestuften Wirkstoffe wird erweitert. Ergänzt wird um Hydrocortison für die parenterale Gabe in einer konservierungsmittelfreien Formulierung, Clobazepam, Colchicin für die Indikation „Familiäres Mittelmeerfieber“, Sulproston für die Indikation „postpartale Blutungen“ sowie Etomidat und Thiopental.
Außerdem soll Valsartan in die Liste der Wirkstoffe mit einem in der Vergangenheit eingetretenen Versorgungsmangel aufgenommen werden.
Ein Arzneistoff ist versorgungsrelevant, wenn er verschreibungspflichtig und für die Gesamtbevölkerung relevant ist – also kein Orphan drug. Die aktuelle Liste der versorgungsrelevanten Arzneistoffe beinhaltet mehrere hundert Wirkstoffe und Wirkstoffkombinationen. Die zweite Gruppe sind versorgungsrelevante Wirkstoffe, die nur einen Zulassungsinhaber, nur einen endfreigegebenen Hersteller oder nur einen Wirkstoffhersteller haben. Diese unterliegen der behördlichen Überwachung. Dies trifft für Aspirin i.v. zu. Für Hersteller gibt es nur eine Selbstverpflichtung zur Meldung von Lieferengpässen. Diese gilt vor allem für Arzneistoffe, die in der Vergangenheit von einem Engpass betroffen waren. Die Selbstverpflichtung gilt auch, wenn es für einen Arzneistoff drei oder weniger Zulassungsinhaber oder endfreigebende Hersteller oder Wirkstoffhersteller gibt.