Kein Rabattvertrag, keine Abgaberangfolge

Lieferengpässe: Koalition gibt Apothekern freie Hand zum Austausch

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Berlin -

Im Kampf gegen Lieferengpässe räumt die Regierungskoalition den Apotheken jetzt größeren Handlungsspielraum ein und verhindert Mehrbelastungen für Patienten: Die Apotheker sollen künftig nicht lieferfähige Verordnungen nach „angemessenere Frist“ mit verfügbaren wirkungsgleichen Arzneimitteln austauschen dürfen. Die bisher vorgesehene 24-Stunden-Frist fällt weg, genauso wie die rigide Austauschregel nach dem Rahmenvertrag. Eventuelle Mehrkosten beim Arzneimittelaustausch aufgrund von Lieferproblemen müssen die Kassen tragen. Das sehen die aktuellen, aber noch nicht „ressortabgestimmten“ Änderungsanträge zum Faire-Kassenwettbewerb-Gesetz (FKG) vor.

Die Vertragspartner des Rahmenvertrags haben eine „bedarfsgerechte Versorgung mit rabattierten Arzneimitteln sicherzustellen“, heißt es zur Begründung im entsprechenden Änderungsantrag: „Bei Nicht-Verfügbarkeit eines rabattierten Arzneimittels bei Vorlage der ärztlichen Verordnung werden deshalb die Apotheken berechtigt, ein anderes wirkstoffgleiches, auch nicht rabattiertes Arzneimittel unmittelbar abzugeben. Ein Arzneimittel ist nicht verfügbar, wenn es innerhalb einer angemessenen Frist nicht beschafft werden kann“, so der Text. Eine Definition der „angemessenen Frist“ gibt es nicht.

Damit ist die bisher vorgesehene 24-Stunden-Regelung vom Tisch. Nach dem Wortlaut des Änderungsantrages ist weder von einer Abfrage bei zwei Großhändlern die Rede, noch von einer Abgaberangfolge. Stattdessen sollen Deutscher Apothekerverband (DAV) und GKV-Spitzenverband im Rahmenvertrag das Nähere zur unmittelbaren Abgabe und deren Abrechnung festlegen.

Ein „gesetzlicher Preisanker“ erscheine im Hinblick auf die bestehende Versorgungssituation nicht zielführend. „Damit ist im Einzelfall weiterhin die Abgabe eines teureren als des verordneten Arzneimittels zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung möglich“, heißt es weiter. Sei bei einer Abgabe kein Arzneimittel zum Festbetrag verfügbar, werden die Mehrkosten „nicht vom Versicherten, sondern von der Krankenkasse getragen“. Weitere Einzelheiten zur unmittelbaren Abgabe mit einem geringen bürokratischen Aufwand sowie zu deren Abrechnung sind ebenfalls von den Vertragspartnern des Rahmenvertrags festzulegen.

Der GKV-Spitzenverband soll unter Beteiligung der Krankenkassen dem Bundesgesundheitsministerium 18 Monate nach Inkrafttreten der Reglung insbesondere über die finanziellen Auswirkungen berichten. In dem Bericht sollen auch Angaben über das Ausmaß von Aufzahlungen, die von Versicherten getragen werden, dargestellt werden.

Darüber hinaus will die Koalition noch weitere Maßnahmen gegen Lieferengpässe im FKG beschließen: In Einzelfällen könne es „zur Vorbeugung, zur Abmilderung oder zur Behebung von versorgungsrelevanten Lieferengpässen erforderlich sein, beim Inverkehrbringen von Arzneimitteln von der Erfordernis einer Kennzeichnung und einer Packungsbeilage in deutscher Sprache abzusehen, um eine Versorgung der Bevölkerung zu ermöglichen“. Hierfür sei eine Ausnahme vom gesetzlichen Erfordernis deutschsprachiger Texte für Kennzeichnung und Packungsbeilage erforderlich – ähnlich wie bereits bei den Impfstoffen vereinbart. Aus Gründen der Arzneimittelsicherheit wird diese Ausnahmemöglichkeit auf solche Arzneimittel beschränkt, die von Ärzten oder Zahnärzten unmittelbar bei Patienten angewendet werden.

Die Befugnisse des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) im Rahmen des Jour Fixe werden erweitert. Das BfArM erstellt künftig nicht nur das Engpassregister, es wird eine Befugnisnorm geschaffen, um geeignete Maßnahmen ergreifen zu können: „Abhängig vom Einzelfall und von der Bedeutung des Engpasses für die Versorgung kommen hier unterschiedliche Maßnahmen in Betracht. So kann die zuständige Bundesoberbehörde zum Beispiel im Einzelfall zur Vermeidung versorgungsrelevanter Lieferengpässe Anordnungen zur Kontingentierung treffen. Für Arzneimittel mit versorgungskritischen Wirkstoffen können Maßnahmen zur Lagerhaltung bereits im Vorfeld eines drohenden Lieferengpasses angeordnet werden, um diesen zu verhüten oder seine Auswirkungen abzumildern“, heißt es im Änderungsantrag.

Hersteller und Großhändler werden verpflichtet, auf Anforderung des BfArM Daten zu den verfügbaren Beständen, zur Produktion und zur Absatzmenge sowie zu drohenden Lieferengpässen des Arzneimittels zu übermitteln. Das BfArM kann auch zu Arzneimitteln mit Wirkstoffen, die nicht auf der Liste versorgungsrelevanter und versorgungskritischer Wirkstoffe stehen, Daten anfordern, wenn dies zur Abwendung oder Abmilderung eines drohenden oder bestehenden versorgungsrelevanten Lieferengpasses erforderlich ist. Damit werde der Behörde ein „umfassender Überblick über die Restbestände und die Liefersituation von Arzneimitteln ermöglicht“.

Kommen Hersteller der Pflicht zu Datenübermittlung nicht nach, müssen sie Bußgelder zahlen: Die neu geschaffene Verpflichtung zur Datenübermittlung „wird bußgeldbewehrt“, heißt es im Änderungsantrag.

In der kommenden Woche wird das FKG abschließend im Bundestag beraten – am Mittwoch im Gesundheitsausschuss und am Donnerstag im Bundestag. Anschließend muss der Bundesrat noch zustimmen.

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