Lieferengpässe: HAV fordert Bevorratungshonorar Lilith Teusch, 12.09.2024 12:13 Uhr
Das vor über einem Jahr in Kraft getretene Gesetz gegen Lieferengpässe (ALBVVG) zeigt keine Wirkung, urteilt der Hessische Apothekerverband (HAV) und fordert sofortige Maßnahmen. In einem Schreiben an das Bundesgesundheitsministerium (BMG) fordert der HAV ein sofortiges Ende des Preisdiktats der Krankenkassen bei Rabattverträgen, mehr Transparenz in den Lieferketten sowie eine Neuregelung der strategischen Bevorratung lebenswichtiger Arzneimittel in den Apotheken vor Ort – einschließlich finanzieller Förderung.
„Die öffentlichen Apotheken können wegen massiver Lieferengpässe und unzureichender politischer Maßnahmen nicht mehr in vollem Umfang ihrem hoheitlichen Auftrag nachkommen, die Menschen in Deutschland mit Arzneimitteln zu versorgen“, so Holger Seyfarth, Vorsitzender des HAV. Die Folgen für die Patientenversorgung seien gravierend und die Verantwortung dafür liege bei der Politik, betont der Verbandschef. „Wir fordern Sie eindringlich auf, unverzüglich zielführende Maßnahmen zu ergreifen, um die flächendeckende und kontinuierliche Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen“, erklärt Seyfarth.
Hintergrund sind die seit Jahren anhaltenden Lieferengpässe bei Hunderten von Medikamenten, darunter Insuline, Antibiotika und Krebsmedikamente. „In den letzten 24 Monaten haben wir immer nur Lippenbekenntnisse aus Berlin gehört, doch die Situation verschärft sich zunehmend“, betonte Holger Seyfarth.
Eigentlich sollte das ALBVVG die Arzneimittelversorgung verbessern. Nach über einem Jahr zeige sich jedoch, dass das Gesetz in der Praxis erhebliche Mängel aufweise, so Seyfarth. Bürokratische Hürden wie komplexe Meldepflichten und Frühwarnsysteme verzögerten eine schnelle Reaktion. Globalisierte Lieferketten und die hohe Abhängigkeit von wenigen Herstellern machten die Versorgung anfällig für Störungen. Zudem gebe es zu wenig Anreize für Pharmaunternehmen, zusätzliche Produktionskapazitäten in Europa zu schaffen, und das Gesetz reagiere nicht flexibel genug auf neue Marktsituationen wie Grippe- oder Pandemiewellen.
Um Lieferengpässe bei Arzneimitteln nachhaltig zu reduzieren und das ALBVVG zu verbessern, formuliert der HAV in seinem Schreiben an das BMG drei konkrete Forderungen:
- Die Krankenkassen müssten verpflichtet werden, ihre Rabattverträge so zu gestalten, dass Versorgungssicherheit an oberster Stelle stehe. Es dürfe nicht länger ausschließlich der günstigste Preis entscheidend sein, sondern auch die Verfügbarkeit der Medikamente. Eine Mindestbevorratung und eine Diversifizierung der Lieferanten müssten in allen Rabattverträgen zwingend berücksichtigt werden.
- Die Transparenz der Lieferketten müsse erhöht werden. Ein staatlich überwachtes System zur frühzeitigen Erkennung von Engpässen sei unabdingbar. Die aktuellen Lagerbestände wichtiger Arzneimittel müssten für die relevanten Marktteilnehmer einsehbar sein, um bei drohenden Engpässen sofort reagieren zu können.
- Apotheken müssten in die Lage versetzt werden, strategische Vorräte anzulegen, insbesondere bei kritischen, verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. „Es ist Aufgabe des Staates, hier finanzielle Unterstützung zu leisten und geeignete gesetzliche Regelungen zu schaffen, damit Apotheken ihrer Verantwortung nachkommen können.“
Es sei völlig inakzeptabel, dass Menschen in Deutschland nicht mit den notwendigen Medikamenten versorgt werden könnten. Hier sei die Politik in der Pflicht, umgehend geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um diesen Missstand zu beheben, betont Seyfarth. „Wir werden nicht tatenlos zusehen, wie die Gesundheitsversorgung durch politisches Versagen weiter ausgehöhlt wird. Handeln Sie jetzt, bevor es zu spät ist“, appelliert Seyfarth an die Verantwortlichen.