„Wir machen uns große Sorgen“

Lieferengpässe: EU will sich einschalten

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Berlin -

Die EU-Kommission will sich in die Diskussion über die seit Monaten anhaltenden Lieferengpässe bei Arzneimitteln einschalten: „Wir machen uns große Sorgen“, sagte Jörg Wojahn, Vertreter der Brüsseler Behörde in Deutschland. Die neue Kommission werde sich anschauen, „wie wir die Produktion von Wirkstoffen und Arzneimitteln nach Europa zurückholen können.“

Nähere Angaben zu den Plänen der EU-Kommission konnte Wojahn nicht machen, auch nicht zum Zeitplan. Das Problem der Lieferengpässe sei auch ein Thema für das „Kapitel EU-Industriestrategie“. Für die neue EU-Kommission unter der Leitung von Ursula von der Leyen sei es „ganz wichtig“, den Produktionsstandort Europa zu stärken. Deutschland übernimmt in der zweiten Jahreshälfte 2020 die EU-Ratspräsidentschaft. Damit könnte auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn das Thema Lieferengpässe in der EU auf die Tagesordnung setzen.

Dr. Hubertus Cranz, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Arzneimittel-Hersteller (BAH), richtete angesichts der Bestätigung durch das EU-Parlament einen Appell nach Brüssel. Die Kommission tue gut daran, die Belange der Pharmahersteller stärker in den Mittelpunkt zu stellen. Denn ihre volkswirtschaftliche Bedeutung sei gerade für Deutschland immens: 100.000 direkte Arbeitsplätze, ein Exportvolumen von etwa 66 Milliarden Euro jährlich, hohe Investitionen in praktisch allen Ländern der EU. „Die Arzneimittelindustrie ist ein zentraler Motor des Wohlstandes“, so der BAH.

Eine wichtige Aufgabe der neuen EU-Kommission sieht auch der BAH in der Vermeidung von Lieferengpässen. Dazu müsse die Ausschreibungspraxis neu geordnet werden. Das müsse auf nationaler Ebene passieren, so dass bei Rabattvertragsausschreibungen mindestens drei Partner berücksichtigt werden. Zudem könnte bei der Gestaltung der Vergabekriterien öffentlicher Aufträge darauf geachtet werden, dass Produktionsstandorte in Europa gefördert werden.

Der BAH drängt außerdem darauf, die Chancen der Digitalisierung zu nutzen. Egal, ob es dabei um das E-Rezept oder die Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) in Verbindung mit dem Medikationsplan gehe: Es sei wichtig, die Versorgung der Patienten mit verschreibungspflichtigen und verschreibungsfreien Arzneimitteln weiterzuentwickeln und ganzheitlich zu betrachten. Das heiße beim E-Rezept aus deutscher Sicht, dass auch das Grüne Rezept und das Privatrezept „digital“ mitgedacht und elektronisch umgesetzt werden müssten.

Auch im Hinblick auf die Bedeutung der Selbstmedikation für die Arzneimittelversorgung und im Sinne einer ganzheitlichen Betrachtung des Therapieprozesses sei eine intelligente Verbindung von Digitalisierung mit etablierten Versorgungsstrukturen, etwa den Vor-Ort-Apotheken, unerlässlich.

Für eine erfolgreiche digitale Transformation sei ein europäisch koordiniertes Vorgehen notwendig. „Dazu brauchen wir ein EU-weit harmonisiertes Verständnis über die Nutzung von Forschungs- und Gesundheitsdaten nach den Vorgaben der EU-Datenschutzgrundverordnung“, so der BAH-Chef. Eine wesentliche Rolle spiele dabei die Interoperabilität von Systemen und digitalen Anwendungen. Auch bei der Zertifizierung von Produkten, die mit Künstlicher Intelligenz arbeiten, wäre ein einheitlicher europäischer Rahmen sinnvoll.

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