Lieferengpässe: Bayern fordert Maßnahmen vom Bund Lilith Teusch, 09.10.2024 10:22 Uhr
Anlässlich des Deutschen Apothekertages (DAT) in München hat Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) die Bundesregierung aufgefordert, nachhaltige Maßnahmen gegen Lieferengpässe bei Arzneimitteln zu ergreifen. Diese gehörten nach wie vor zum Apothekenalltag. Die Verantwortung für die Arzneimittelversorgung liege beim Bund, betonte Gerlach. Sie wünsche sich aber eine stärkere Zusammenarbeit mit den Ländern.
„Lieferengpässe, notwendige Ersatzbeschaffungen und verunsicherte Patientinnen und Patienten – das ist weiterhin die Realität im Apothekenalltag. Anderslautende Beschwichtigungen von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sind nichts als Schönfärberei“, betonte Gerlach. Nach Angaben des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) waren Anfang Oktober knapp 500 Lieferengpässe bei Arzneimitteln gemeldet, darunter nach wie vor antibiotikahaltige Medikamente für Kinder und Arzneimittel zur Behandlung bestimmter Krebserkrankungen.
Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern
„Ich würde mir auch auf Bundesebene wünschen, dass Lauterbach mehr gemeinsame Lösungen mit den Akteuren sucht, anstatt eine Apothekenreform mit der Brechstange durchzusetzen, wie er es aktuell versucht“, erklärte Gerlach. In Bayern wie in ganz Deutschland brauche es weiterhin eine flächendeckende, wohnortnahe Arzneimittelversorgung rund um die Uhr und eine qualitativ hochwertige persönliche Arzneimittelberatung durch Apothekerinnen und Apotheker. „Das sehe ich aber durch die bisherigen Reformpläne von Lauterbach leider gefährdet“, kritisierte Gerlach.
Task-Force Arzneimittelversorgung
Das Bayerische Gesundheitsministerium nehme die Situation sehr ernst, versicherte die Ministerin. „Wir warten daher nicht auf den vorrangig zuständigen Bund. Stattdessen haben wir Anfang Oktober eine weitere Sitzung unserer Task-Force Arzneimittelversorgung einberufen, um uns ein besseres Bild von der Lage vor Ort zu machen und Handlungsoptionen für die Wintersaison 2024/25 auszuloten.“ Die Abstimmungen liefen noch. In der Vergangenheit habe die Pharma-Task-Force kurzfristig Maßnahmen entwickeln können, um Apotheken zu unterstützen und Versorgungsengpässe zu überbrücken. Allerdings könne auch die Task-Force keine Wunder vollbringen: „Die Zuständigkeiten bei der Arzneimittelversorgung liegen weitgehend bei Bund und EU“, so Gerlach.
Die Task-Force Arzneimittelversorgung wurde 2022 mit dem Ziel gegründet, Handlungsfelder und mögliche Maßnahmen zu identifizieren, mit denen kurz- und mittelfristig Liefer- und Versorgungsengpässen entgegengewirkt und der Arzneimittelstandort Deutschland gestärkt werden kann. Teilnehmer sind Vertreter der Ärzte- und Apothekerschaft, der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns, der pharmazeutischen Industrie, des pharmazeutischen Großhandels und der gesetzlichen Krankenkassen.
Für Bayern habe die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln höchste Priorität. Deshalb habe der Freistaat im Rahmen seiner Zuständigkeiten bereits seit langem Maßnahmen ergriffen, um die dringendsten Fälle von Lieferengpässen unbürokratisch zu lösen. Als Beispiel nannte die Ministerin den Erlass von Allgemeinverfügungen, die den Import von Arzneimitteln ermöglichten, die in Deutschland knapp sind. So habe Bayern seit Mai 2023 Großhändlern und Apotheken per Allgemeinverfügung befristet erlaubt, Antibiotikasäfte für Kinder aus Ländern zu importieren, in denen sie rechtmäßig in Verkehr gebracht werden dürfen.
Darüber hinaus wurden die gesetzlichen Krankenkassen gebeten, in Bayern keine Retaxierungen einzuleiten bei Arzneimitteln, die in Apotheken hergestellt wurden, da Fertigarzneimittel nicht lieferbar waren. Die Krankenkassen seien dieser Aufforderung nachgekommen. Der Bundesgesetzgeber habe dies nun teilweise nachgeholt.
Bund bleibt untätig
Oberstes Ziel sei es, Lieferengpässe gar nicht erst entstehen zu lassen, so Gerlach. Bayern fordere daher seit Langem vom Bund eine Strategie, mit der Lieferengpässen auch mittel- und langfristig begegnet werden könne. Bereits im Juli habe die Staatsregierung im Rahmen des Bayerischen Pharmagipfels an den Bund appelliert, die bestehenden Preisregulierungsmaßnahmen zu überprüfen und das Rabattvertragssystem weiterzuentwickeln, um die Versorgungssicherheit mit Arzneimitteln zu stärken, erinnerte Gerlach.
Gemeinsam mit Baden-Württemberg habe Bayern außerdem eine Bundesratsinitiative zur Verbesserung der Arzneimittelversorgung erarbeitet, die bereits Ende April mehrheitlich verabschiedet worden sei. Mit der Bundesratsinitiative will Bayern unter anderem erleichterte Importregelungen und die Entwicklung einer nationalen Bevorratungsstrategie erreichen. Außerdem sollen durch eine entsprechende Anpassung der Rabattvertragsregelungen mehr Anreize für pharmazeutische Unternehmen geschaffen werden, die Produktion von Arzneimitteln wieder nach Europa zu verlagern.
Darüber hinaus soll die Bundesregierung zu einer weiteren Flexibilisierung der Austauschmöglichkeiten von nicht vorrätigen Arzneimitteln bewegt werden. „Der Bund zeigt sich allerdings wenig aufgeschlossen für die von uns vorgeschlagenen Maßnahmen oder sieht gar keinen Handlungsbedarf“, so Gerlach.