Kommentar

Lieferengpässe: Spiel mit dem Feuer

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Berlin -

Es gibt Dinge, die will einfach keiner hören. Das Patienten in der Apotheke ausfallend werden, weil sie ihr Wunscharzneimittel nicht bekommen, ist so ein Thema – vor allem wenn gute Gründe für die Verweigerung sprechen. Oder dass Ausschreibungen zu einer Verknappung des Marktes führen. Solange die Versorgung nicht zusammenbricht, kann es so schlimm ja nicht sein, so die Devise. Doch es wird immer schlimmer.

Rabattverträge bringen den Kassen Milliardeneinsparungen. Das ist gut und dagegen lässt sich schwer argumentieren. Angenehmer Nebeneffekt für die Apotheker: Sie sind etwas aus dem Fokus, was den Kostendruck angeht. Und sie müssen nicht fürchten, dass große Hersteller Allianzen mit großen Apotheken schließen. Ein Stückweit sorgen ausgerechnet die Ausschreibungen von AOK & Co. für Chancengleichheit im Apothekenmarkt.

Das heißt freilich nicht, dass man vor den Folgen die Augen verschließen sollte. Aus öffentlichen Verkehrsmitteln werden schließlich auch nicht die Sitzplätze ausgebaut, um die öffentlichen Haushalte zu entlasten. So gibt es gewisse Ausweichmöglichkeiten für besonders ernste Fälle, etwa die Möglichkeit, Aut-idem-Kreuze zu setzen oder pharmazeutische Bedenken geltend zu machen. Dass dies zu eigenen skurrilen Situationen führen kann, ist eine andere Geschichte.

Das große Thema aber bleiben die Lieferprobleme. Schon seit dem Start der ersten Rabattverträge ist klar, dass nicht jeder Hersteller die Zusagen halten kann – vor allem wenn er aus dem Stand eine Megakasse wie die AOK beliefern muss.

Der deutsche Markt war zeitweise eine Spielwiese für Glücksritter geworden, die mit einem guten Angebot für einen definierten Zeitraum abräumen wollen. Zwar sind Exoten im Generalalphabet weniger geworden; hier scheinen die Vertragsstrafen bei Lieferausfällen zu wirken. Doch auch große Hersteller sind keineswegs Garanten für eine funktionierende Lieferkette.

Das System ist hausgemacht: Ausschreibungen gibt es zwar auch in anderen Ländern, aber dort werden monatlich die Karten neu gemischt. Das führt zu großem Aufwand in den Apotheken, erhält aber die Vielfalt auf der Herstellerebene. Wer eine Auktion verliert, bekommt nach vier Wochen die nächste Chance. Hierzulande geraten Wirkstoffe für zwei Jahre komplett aus dem Fokus, wenn ein Anderer den Zuschlag bekommen hat.

Metoprolol ist ein weiteres Beispiel in einer langen Reihe, in denen ein führender Hersteller den Markt in den Abgrund gezogen hat. Niemand hätte damit gerechnet, dass ausgerechnet der Dauerlieferant Hexal die Segel streichen müsste. Niemand hatte entsprechend auf Vorrat produziert.

Zur Wahrheit gehört freilich auch, dass Lieferengpässe auch ohne Rabattverträge vorkommen. Die Klinikapotheker etwa führen lange Mängellisten, für die sich im politischen Berlin genauso wenig jemand interessiert. Dass sich Deutschland in die Abhängigkeit von Firmen aus politisch unsicheren Ländern begibt, hat nicht nur mit den Kassen, sondern auch mit der Globalisierung der Lieferwege zu tun.

Die Lobbyisten von Pro Generika führen einen Kampf gegen Windmühlen: Mit einer Studie wollen sie demnächst belegen, dass die Umsetzungsquote steigt, je geschmeidiger die Rabattverträge umgesetzt werden können. Bei den Kassen dürften das Echo verhalten sein. Sie können sich an den Delinquenten schadlos halten und entgangene Rabatte durch Vertragsstrafen kompensieren, notfalls auch Apotheken wegen der mangelhaften Umsetzung retaxieren.

Solange die Rechnung stimmt, werden sie keinen Anlass haben, sich ernsthaft mit den Problemen auseinander zu setzen. Wenn wirklich einmal der Ernstfall eintritt, wird niemand dafür verantwortlich gewesen sein wollen.

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