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Lieferengpässe: Gröhe flüchtet

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Berlin -

Report München, das Politmagazin des Bayerischen Rundfunks, berichtete in der gestrigen Sendung über Lieferengpässe in Krankenhausapotheken. Im Fokus stand das Krebsmedikament Alkeran (Mephalan) von Aspen, das regelmäßig und auch aktuell nicht verfügbar ist. Als die Reporter Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) mit dem Problem konfrontierten, wich dieser aus.

Medikamentenmangel sei auch hierzulande keine Ausnahmeerscheinung, heißt es im Bericht. Zitiert wird dazu Rudolf Bernhard, Leiter der Apotheke des Klinikums rechts der Isar in München: „Die Situation ist sehr akut.“ Im Durchschnitt habe die Klinikapotheke zwei bis drei Defekte pro Woche zu bewältigen. Zum Teil fehlten für die Patienten sehr wichtige Medikamente, so Bernhard.

Seit Anfang April sei etwa Alkeran von Defekten betroffen. Bereits im vergangenen Jahr hat es Schwierigkeiten mit diesem Mittel gegeben. Alkeran wird zur Vorbereitung auf Knochenmarktransplantationen eingesetzt – und kann in dieser Indikation nicht ersetzt werden. Wegen der Engpässe müssen lebensrettende Behandlungen um Wochen verschoben werden: Allein seit vergangenem Sommer mussten deutschlandweit 48 Transplantationen vertagt werden.

Für die Patienten ist das schlimm: „Ich hatte irgendwie das Gefühl, das ist jetzt erst einmal mein Todesurteil und es interessiert keinen, was weiter passiert“, sagt eine Patientin im Beitrag. Ihre Knochenmarktransplantation verzögerte sich um drei Wochen, weil Alkeran fehlte.

Onkologe Professor Dr. Stefan Krause sagt, dass solche Verzögerungen drastische Folgen haben könnten: „Wenn es sich länger herauszögert und die Versorgung eventuell ganz abbricht, wird sich die Überlebenschance der Patienten verschlechtern, weil ein wichtiger Therapieblock fehlt.“

SPD-Gesundheitsexperte Professor Dr. Karl Lauterbach versteht nicht, warum es bei Alkeran zu Lieferengpässen kommt. Der Wirkstoff sei nicht schwer zu produzieren, sagt er. „Das ist eigentlich unentschuldbar, denn ist es ein sehr wichtiges Medikament und die Verschiebung der Therapie ist ja hochriskant für den Patienten.“

Alkeran wird in Europa nur noch an einem einzigen Standort in Italien hergestellt. Derzeit ruhe dort die Produktion, berichtet Report München. Warum genau das so ist, werde vom Hersteller nicht mitgeteilt.

Wer die noch vorhandenen Packungen des Medikaments bekommt, entscheidet in Deutschland der Vertreiber Aspen. Die Kliniken müssen dem Unternehmen begründen, warum ein bestimmter Patient das Medikament benötigt. Bei Aspen entscheidet laut Bericht letztlich nur ein Mitarbeiter, wer Alkeran wann erhält. Für Klinikapotheker Bernhard ist es ein „Unding“, dass ein Hersteller über das Wohlergehen der Patienten bestimmen dürfe.

Das Problem der Lieferengpässe ist dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) mindestens seit Sommer 2015 bekannt, berichtet Report München. Doch beim Pharmadialog wurde nicht einmal eine Meldepflicht für Engpässe beschlossen. Die Hersteller hätten keine Strafzahlungen zu befürchten, kritisieren die Journalisten. Sie baten daher um ein Interview mit Gröhe. Die Anfrage wurde jedoch abgelehnt. Begründung: Der Minister habe keine Zeit.

Daraufhin besuchten die Reporter eine CSU-Veranstaltung, an der auch Gröhe teilnahm. Als sie ihn dort nach einer Stellungnahme zu Lieferengpässen fragten, verwies der Minister an sein Büro. „Die haben uns keinen Termin gegeben“, sagt der Reporter. „Dann ist das halt so“, antwortet Gröhe vor laufender Kamera und lässt den Journalisten stehen.

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