Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und die Bundesärztekammer (BÄK) fordern ein europaweites verpflichtendes Register für Lieferengpässe bei Arzneimitteln. Die Führungsriege der beiden Standesvertretungen ist am Donnerstag in Brüssel, um die Vorschläge gemeinsam mit Vertretern der EU-Kommission, des EU-Parlaments sowie Generikaherstellern und Krankenkassen zu diskutieren. Die gemeinsame Vertretung der beiden Verbände bei der EU hatte zur Diskussion vor geladenen Gästen gerufen. Denn die Ärzte warnen vor nationalen Alleingängen. Sie sehen die EU in der Pflicht.
Der Kampf gegen Lieferengpässe ist für ganz Europa relevant, bisher gleicht der Blick auf die Maßnahmen aber einem Flickenteppich. Verschiedene EU-Mitgliedstaaten sind bereits aktiv geworden, das Spektrum reicht von verpflichtenden Meldungen von Lieferengpässen über erweiterte Lagerhaltungspflichten bis hin zu Exportverboten, wie Belgien sie zuletzt im Mai verhängt hat. Doch das alles erfolgt unkoordiniert und uneinheitlich – und fällt deshalb laut BÄK und KBV auf einzelne Länder zurück. „Einseitige nationale Maßnahmen drohen jedoch die Versorgungslage in anderen europäischen Mitgliedstaaten zu verschlechtern, ohne die Verfügbarkeit insgesamt zu verbessern“, so die Ärzte.
Einen grundlegenden Wandel würde natürlich eine Rückverlagerung der Wirkstoffproduktion nach Europa bringen, das sieht bekanntermaßen nicht nur die Ärzteschaft so. „Dies würde die Lieferwege verkürzen und die Überwachung der Arzneimittelherstellung erleichtern“, so BÄK-Präsident Dr. Klaus Reinhardt. Außerdem könne so sichergestellt werden, dass europäische Standards, etwa bei Umweltschutz, Produktionssicherheit und Arbeitsbedingungen, eingehalten werden. Allerdings ist das nicht allzu einfach und sehr schwer durch politische Maßnahmen zu forcieren.
Deshalb schauen BÄK und KBV vor allem auf das, was die europäischen Staaten kurz- bis mittelfristig leisten könnten. Gegenseitige Schuldzuweisungen seien dabei wenig hilfreich, so der Vorsitzende der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ), Professor Dr. Wolf-Dieter Ludwig: „Die Lieferengpässe eröffnen der EU die Chance, ihre Handlungsfähigkeit zu demonstrieren und gleichzeitig einen echten Mehrwert für die Mitgliedsstaaten zu schaffen.“
Neben einer Verteilung der Wirkstoffproduktion auf viele Schultern fordert die KBV deshalb eine Meldeverpflichtung im Falle von Engpässen auf europäischer Ebene. „Eine Task Force auf EU-Ebene könnte Vorschläge erarbeiten, wie eine solche Verpflichtung aussehen soll“, so der stellvertretende KBV-Vorsitzende Dr. Stephan Hofmeister. Dabei sei koordiniertes Handeln erforderlich: Eine europäische Strategie solle demnach Vorschläge sowohl zur Vermeidung von Engpässen als auch zum Umgang mit solchen beinhalten. „Hier ist die Europäische Kommission angesprochen, kurzfristig wirksame und realisierbare Maßnahmen vorzuschlagen“, so die Ärzteschaft.
Dabei müssten die EU-Experten nicht einmal bei Null anfangen: Denn die EU-Richtlinie zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel gibt es bereits – und sie enthält bereits Meldepflichten für Hersteller bei Lieferengpässen sowie bei beabsichtigter Einstellung der Produktion. „Diese Pflichten müssen jedoch konsequent umgesetzt und gegebenenfalls konkretisiert werden“, fordern die Standesvertreter der Mediziner deshalb.
Davon ausgehend soll ein Register entstehen: Basierend auf einer europäischen Liste versorgungsrelevanter Arzneimittel solle demnach im Falle bestehender oder absehbarer Engpässe eine Meldung an die zuständigen nationalen Stellen und die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) verpflichtend sein. Dazu wünschen sich die Ärzte, dass auf europäischer Ebene ein einheitliches elektronisches Format geschaffen wird. Meldungen sollten dann an alle nationalen Stellen weitergeleitet werden, damit diese die geeigneten Maßnahmen ergreifen können.
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