Gestern stattete ABDA-Präsident Friedemann Schmidt zum wiederholten Mal dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) einen Besuch ab. Anschließend schickte die ABDA eine Mail an alle Kammern und Verbände: Die mit Spannung erwartete Mitgliederversammlung wird verschoben. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will seinen Plan B den Präsidenten und Vorsitzenden persönlich vorstellen, so die offizielle Erklärung. Das dürfte aber auch Schmidt gelegen kommen. Denn der ABDA-Präsident muss um eine respektable Mehrheit für den ausgehandelten Deal kämpfen. Dabei kann Spahn jetzt hilfreich sein.
Denn die Mehrheiten in der ABDA-Mitgliederversammlung am 11. Dezember sind keineswegs sicher. 17 Kammern und Verbände schicken 936 Stimmen nach Berlin. Wie im Bundesrat sind die Stimmenzahlen nach der Größe der Kammer- und Verbandsgebiete gewichtet. Insgesamt verfügen die Kammern mit 613 Stimmen über zwei Drittel der Stimmen in der Mitgliederversammlung. Der Ausgang der Abstimmung hängt entscheidend von ihrem Votum ab – und dort gibt es immer noch Widerstandsnester.
Die Mitgliederversammlung der Bundesapothekerkammer (BAK) in der vergangenen Woche erlebten Teilnehmer als „Flashback“ in Richtung Rx-Versandverbot und Gleichpreisigkeit. Inzwischen haben die Kammern Bayern, Hessen, Nordrhein und Saarland nachgelegt, ihre Positionen per Resolution festgeklopft.
„Auch Marktteilnehmer aus dem europäischen Ausland haben nationale Gesetze zu beachten! Wenn dieses Ziel nicht anders als durch ein Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zu erreichen ist, muss der nationale Gesetzgeber ein entsprechendes Verbot aussprechen! Dass dies auch europarechtlich möglich ist, zeigt die Tatsache, dass bereits heute in 21 von 28 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union der Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln verboten ist“, heißt es beispielsweise in der Resolution der Saarländischen Kammerversammlung. „Mit mir nicht“, hatte Kammerpräsident Manfred Saar bereits beim Deutschen Apothekertag (DAT) sein Veto gegen ein Aufweichen der Position zu Protokoll gegeben.
Es könnte also knapp werden am 11. Dezember. ABDA-Präsident Schmidt muss wohl keine Niederlage fürchten, aber eine deutliche Mehrheit für einen Plan B ist derzeit hart umkämpft. Dabei könnte die Anwesenheit von Spahn den Ausschlag geben. Bereits auf dem DAT zeigte sich in der Diskussion, dass die Autorität eines anwesenden Ministers das Ausmaß des Widerstandes dämpfen kann. Außerdem könnte Spahn die Mitgliederversammlung vor die Wahl stellen: Plan B oder Nichts – und klar machen, dass die gegenwärtige Bundesregierung die vermutlich letzte Koalition ist, von der sich Apotheker überhaupt noch Entgegenkommen versprechen können.
Letztendlich wird die Abstimmung aber vom Plan B selbst abhängen. Der ist immer noch geheime Kommandosache. Allerdings gehen Mitgliedsorganisationen davon aus, dass die Details rechtzeitig vor der Mitgliederversammlung veröffentlicht werden. Schließlich will man sich nicht erst in der Sitzung eine Meinung dazu bilden oder die Abstimmung erneut verschieben.
Da das Rx-Versandverbot vom Tisch ist, heißt der Knackpunkt nun Gleichpreisigkeit. Das ABDA-Dilemma beschrieb BAK-Präsident Dr. Andreas Kiefer bereits beim DAT: „Wir werden am Ende die Aufgabe der Gleichpreisigkeit akzeptieren müssen, das ist nicht ganz einfach.“ Jedenfalls dürfte eine Gleichpreisigkeit im Sinne des Rx-Versandverbots mit anderen Mittel nicht erreichbar sein. Im Gespräch ist allerdings, die Arzneimittelpreisverordnung (AmPreisV) ins Sozialgesetzbuch V (SGB V) zu überführen und mit einem Boni-Deckel zu versehen. Dieser könnte zwischen drei und fünf Euro liegen. Die Folge: Boni für alle – das würde auch für inländische Apotheken gelten. Auf dem Papier wären „gleichlange Spieße“ verwirklicht. Ein Deckel in dieser Höhe würde den Apotheken vor Ort freilich wenig helfen.
Alles deutet darauf hin, dass es zur Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung einen Strukturfonds nach dem Vorbild des Nacht- und Notdiensttopfes (NNF) geben wird. Wie viel Geld Spahn dafür bereit stellen kann, ist ungewiss. Allerdings: 180 Millionen Euro will der Bundesgesundheitsminister mit seiner aktuellen AMG-Novelle den 300 Zyto-Apotheken Netto abknöpfen. Dieser Betrag stünde für einem Strukturfonds zur Verfügung, ohne dass die Krankenkassen auf die Barrikaden gehen könnten. Das macht circa 25 Cent pro Rx-Packung, die nach noch zu definierenden Kriterien auf für die Versorgung notwendige Apotheken verteilt werden könnten.
Mehr Geld herausspringen könnte auch für die Mitwirkung der Apotheker am elektronischen Medikationsplan. Das ist eine alte ABDA-Forderung und eine Honorierung wurde bereits von Ex-Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) zugesagt. Auch hiergegen könnten die Kassen nicht ernsthaft protestieren. Ob es Spahn gelingt, weitere Honorarposten für Präventionsleistungen von Apothekern zu schaffen, bleibt abzuwarten. Unterm Strich dürfte Spahns Plan B jedenfalls mit einem ansehnlichen Honorarbetrag locken. Honorar gegen Struktur – das ist der Deal.
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