Der Berufsbildungsbericht 2016 legt einige Schwachstellen im dualen Ausbildungssystem offen. Der Bund will mehr junge Menschen für Lehrberufe gewinnen. Aber auch in der Wirtschaft ist wohl noch einige Überzeugungsarbeit zu leisten.
Angesichts sinkender Azubi-Zahlen und einer nur sehr mäßigen Ausbildungsbereitschaft vieler Firmen wirbt die Bundesregierung nun verstärkt für die klassische betriebliche Lehre. Hintergrund sind einige besorgniserregende Trends des am Mittwoch vom Kabinett in Berlin verabschiedeten Berufsbildungsberichts.
Demnach sank die Zahl der neuen Ausbildungsverträge voriges Jahr im Vergleich zu 2014 erneut leicht auf gut 522.000 (Stichtag 30. September). Zugleich blieben viele Lehrstellen unbesetzt – mit rund 41.000 wurde hier der höchste Stand seit 1996 verzeichnet. Die Zahl unversorgter Bewerber ging aber lediglich leicht auf rund 20.700 zurück. Und nur jede fünfte Firma in Deutschland bildet noch aus.
Bildungsministerin Johanna Wanka (CDU) will nun mit einer breit angelegten Info-Kampagne die gesellschaftliche Bedeutung von über 300 Lehrberufen verdeutlichen. Vor allem sollten junge Leute sehen, dass eine duale Ausbildung „vielfältige Karriere- und Entwicklungsmöglichkeiten“ biete. Besonders kleine und mittlere Betriebe hätten wachsende Probleme, Lehrstellen zu besetzen.
„Nie waren die Chancen auf einen attraktiven Ausbildungsplatz und eine interessante Karriere für Jugendliche so gut“, sagte Wanka. Jugendliche hätten „alle Voraussetzungen, um einen Beruf zu finden, der ihren eigenen Interessen und dem eigenen Lebensglück am besten entspricht“. Neben Werbemotiven auf Plakaten und im Internet soll eine Infotour zur Berufsorientierung mit rund 90 Stopps Jugendliche überzeugen – in Schulen, auf Bildungsmessen und Festivals.
Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) räumte wie Wanka ein, dass noch zu viele Lehrstellen unbesetzt blieben, „meist weil die Unternehmen keine passenden Bewerber finden“, und das, obwohl die duale Ausbildung in Deutschland im Prinzip „ein Erfolgsmodell“ sei. Er betonte: „Ohne junge, motivierte Handwerker, Informatiker oder Pflegekräfte werden wir die Herausforderungen der Zukunft nicht meistern.“ Mit einem eigenen Programm unterstützt sein Ressort kleine und mittlere Unternehmen bei der Besetzung von Ausbildungsplätzen.
Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) lobte, das Engagement der Betriebe für Ausbildung sei „weiterhin hoch“. Immerhin sei die Zahl der Lehrlinge „trotz deutlich sinkender Schulabgängerzahlen nahezu konstant“. Und sieben von zehn Auszubildenden würden direkt vom Ausbildungsbetrieb übernommen.
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) erklärte: „Wenn heute rund 150.000 junge Leute mehr als vor zehn Jahren ein Studium beginnen und zugleich die Zahl der Lehrstellenbewerber um mehr als 180.000 gesunken ist, dann ist klar, dass viele Betriebe ohne Azubi und immer mehr Ausbildungsplätze unbesetzt bleiben.“
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) fordert die Wirtschaft indes auf, mehr Anstrengungen für die kriselnde duale Ausbildung zu unternehmen. Die Arbeitgeber hätten 20.000 zusätzliche Lehrstellen für 2015 versprochen, „am Ende waren es nur 7300“, sagte die stellvertretende DGB-Chefin Elke Hannack. Die Bildungsgewerkschaft GEW sieht die Arbeitgeberseite auch weiter in der Pflicht, „klare Beschäftigungs- und Aufstiegsperspektiven für Ausgebildete anzubieten“.
Laut Berufsbildungsbericht gelang es zwischen 2005 und 2014, die Zahl junger Menschen im sogenannten Übergangsbereich um fast 165.000 zu senken. An solchen Bildungsgängen nehmen Jugendliche teil, die es nach der Schule nicht direkt in eine betriebliche Lehre schaffen. 2015 gab es im „Übergangsbereich“ wieder einen Anstieg um 7,2 Prozent. Dieser ging „im Wesentlichen auf länderspezifische schulische Integrationsmaßnahmen für Flüchtlinge zurück“, wie es hieß.
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