Legale LSD-Abkömmlinge durch Gesetzespanne? APOTHEKE ADHOC, 22.02.2023 13:56 Uhr
Seit 2016 werden verschiedene sogenannte „Legal Highs“ unter dem Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz (NpSG) zusammengefasst und verboten. Durch einen Formfehler weist die aktuelle Fassung jedoch eine Lücke auf: Fälschlicherweise hat sich ein Bindestrich statt eines Kommas eingeschlichen – mit möglicherweise schwerwiegenden Folgen. Denn dadurch sind einzelne LSD-Abkömmlinge Expert:innen zufolge bis zur Anpassung theoretisch wieder „re-legalisiert“.
In der Szene erscheint es wie ein Wettlauf: Während der Gesetzgeber laufend versucht, das NpSG aktuell zu halten, werden auf dem Markt immer wieder Substanzen in Umlauf gebracht, die zwar nur geringfügig von der Struktur der gelisteten Stoffe abweichen – aber dennoch nicht unter das Gesetz fallen.
Gefährliche LSD-Derivate sorgen für Horrortrips
Vor allem LSD-Derivate gibt es mittlerweile in zahlreichen „Ausführungen“ – sie alle führen jedoch zu einem ähnlichen Rausch wie die Droge LSD (Lysergsäurediethylamid) selbst. Konsument:innen berichten über halluzinogene Effekte und veränderte Bewusstseinszustände. In einigen Fällen wird sogar über regelrechte Horrortrips und schwerwiegende psychische Schäden berichtet.
LSD und seine Derivate werden häufig in Form von sogenannten „Blottern“ angeboten: Dabei handelt es sich um eine Art saugfähiges Papier, auf das die Substanzen aufgetragen werden. Oft werden die einzelnen Konsumeinheiten daher auch als „Ticket“ oder „Pappe“ bezeichnet. LSD gibt es mittlerweile jedoch auch in anderen Formen wie Liquid oder Mikropillen. LSD selbst fällt daher unter das Betäubungsmittelgesetz (BtMG). Seine Derivate hingegen werden im NpSG aufgeführt. Unter anderem ist das Handeltreiben, das Herstellen und der Besitz verboten.
Auf die Interpunktion kommt es an
Doch bei der Anpassung des NpSG im vergangenen Herbst hat sich offenbar ein schwerwiegender Fehler eingeschlichen, wie „Legal Tribune Online“ und mittlerweile auch andere Medien berichten: Im Gesetzestext wurde fälschlicherweise ein Bindestrich statt eines Kommas gesetzt. Dadurch ist unter anderem das umstrittene 1V-LSD theoretisch wieder legal. Aufgedeckt wurde der Fehler dem Betrag zufolge durch Strafrechtler Sebastian Sobota, Chemikerin Annika Klose und Materialwissenschaftler Lukas Mirko Reinold. Gemeinsam haben sie einen Artikel für das Fachjournal „Strafverteidiger“ verfasst, welcher in der nächsten Ausgabe veröffentlicht wird.
„Der Verordnungsgeber hat dort in ‚Alkylcarbonyl (bis C10)-Cycloalkylcarbonyl- (Ringgröße C3 bis C6)‘ einen Bindestrich statt eines Kommas eingebracht“, erklärt Sobota dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Eigentlich hätte der Bindestrich nach dem Wort „Alkylcarbonyl“ gesetzt werden müssen. „Diese falsche Interpunktion hat inhaltliche Auswirkungen, weil ein Bindestrich zwischen den beiden Teilen eindeutig eine Gesamtgruppe ausdrückt, während mutmaßlich zwei einzelnen Gruppen gemeint waren. In chemischer Hinsicht ist die formulierte Stoffgruppe ‚Alkylcarbonylcycloalkylcarbonyl‘ etwas anderes als ‚Alkylcarbonyl‘ und ‚Cycloalkylcarbonyl‘“, erklärt er weiter.
Kleiner Fehler, große Auswirkungen?
Dem Experten zufolge habe der „handwerkliche Flüchtigkeitsfehler“ riesige Auswirkungen: Denn es würde nicht nur eine Reihe von LSD-Derivaten nicht erfasst, sondern zudem eine ganze Reihe von bereits verbotenen Substanzen wieder legalisiert. Also warum den Fehler nicht einfach beheben? Das ist gar nicht so leicht – denn für die erneute Änderung braucht es die Zustimmung des Bundesrates, wie das Rechtsjournal „Legal Tribune Online“ erklärt.
Wie das RND berichtet, sieht das BMG den Sachverhalt jedoch anders: Zwar habe es eine falsche Interpunktion in der Verordnung gegeben – der redaktionelle Fehler habe jedoch keine Auswirkungen auf die geltende Rechtslage. Er werde „zügig berichtigt“ – ein erneuter Beschluss des Bundesrates zur geltenden Verordnung sei nicht erforderlich. Bis zur Änderung scheint die Grauzone also bestehen zu bleiben.