SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach rechnet fest damit, dass die Union es nicht ins Kanzleramt schafft. Er gehe davon aus, dass die nächste Regierung eine Ampel-Koalition sein werde, so Lauterbach bei „Bild“. Bekanntester Gesundheitspolitiker der drei beteiligten Parteien ist er selbst – und bestärkt erneut, dass er für das Amt zur Verfügung steht.
„Das wird die Ampel. Davon gehe ich ganz fest aus“, erklärte Lauterbach am Montag in einer Gesprächsrunde der Bild-Zeitung. „Ein Verliererbündnis, wie es Jamaika darstellen würde, würde es nicht lange geben“, prophezeite er. Da sei allein schon aufgrund der Zentrifugalkräfte in der Union so. Bei wem das Gesundheitsressort landen würde, wollte er hingegen nicht vorhersagen. „Es gibt sehr viele Leute, die das machen könnten. Wir haben ein ganzes Portfolio an Top-Leuten“, so Lauterbach. Auch auf mehrfache Nachfrage ließ er sich nicht zu einem klaren Statement hinreißen – auch nicht dazu, ob er sich selbst zu diesen Top-Leuten zählt. „Ich kann mich selbst sehr schlecht einschätzen, das muss ich sagen.“
Dafür war Lauterbach kurz zuvor gegenüber dem Tagesspiegel etwas deutlicher geworden: Zwar spekuliere er nicht darüber, ob er der nächste Gesundheitsminister wird. „Für mich stand nie das Amt im Vordergrund, sondern immer der Wunsch, gute Arbeit machen zu können“, so der Rheinländer. Aber: „Natürlich würde ich ein Ministeramt nicht ablehnen in Bereichen, in denen ich mich gut auskenne“ Da sei zum einen die Gesundheitspolitik oder Bildung, Wissenschaft und Forschung. „Wie gesagt, ich wäre nicht erschrocken und würde es mir zutrauen. Aber mein Leben geht auch weiter, wenn ich nicht Minister werde.“
Auch die Aussicht, von seinem Amtsvorgänger Jens Spahn (CDU) ein „ziemlich klamm gewordenes System“ zu erben, wie es der „Tagesspiegel“ mit Verweis auf die leeren Kassen nennt, schreckt Lauterbach nicht ab: „Egal, wer das Ministerium übernimmt: Es sind viele Dinge liegengeblieben. Es ist dafür zu sorgen, dass das System wieder ausreichend finanziert ist. Wir müssen die Pflege anders finanzieren, wir müssen das Fallpauschalensystem in den Krankenhäusern modifizieren. Und wir haben ein Riesenproblem, über das bisher kaum gesprochen wird: In ein paar Jahren gehen uns nicht nur die Pflegekräfte, sondern auch die Ärzte aus – und das zu einem Zeitpunkt, wo so viele Menschen wie noch nie, nämlich die aus der Babyboomer-Generation, zu versorgen sind. Hier müssen wir dringend und sehr schnell gegensteuern.“
Lauterbach fordert, dass in dieser Legislatur mindestens 5000 zusätzliche Medizinstudienplätze pro Jahr geschaffen werden. „Und auch dem Nachwuchsproblem in der Pflege durch attraktivere Arbeitsbedingungen begegnen. Beides ist absolut notwendig.“ Die Bürgerversicherung favorisiere er zwar nach wie vor, aber wenn ein potenzieller Koalitionspartner damit Probleme habe, müsse man kompromissbereit sein. „Man sollte abwarten, ob wir uns verständigen, etwas zusammen wagen zu wollen.“
Mit Blick auf seine Chancen sieht das Bild gemischt aus: Einerseits zählen Lauterbachs Beliebtheitswerte zu den höchsten in seiner Partei. In einer Insa-Umfrage aus der vergangenen Woche hatten 30 Prozent der Befragten angegeben, dass sie Lauterbach als Teil der nächsten Bundesregierung sehen wollen. Nur Kanzlerkandidat Olaf Scholz schloss in der Befragung besser ab. Den jetzigen Amtsinhaber Jens Spahn hingegen wollten 49 Prozent der Befragten nicht mehr an der Regierung sehen, nur 20 Prozent sprachen sich für ihn aus. Doch Spahn hat ohnehin andere Pläne, wie er der „Welt am Sonntag“ noch einmal diktierte: „Es gibt keine andere Partei, die in dieser Generation so viele Leute hat, die als Ministerpräsidenten, in der Fraktion oder als Minister schon Erfahrung gesammelt und sich in der Sachpolitik bewährt haben. Sie werden die CDU Richtung 2025 und darüber hinaus prägen.“
Andererseits polarisiert Lauterbach, er ist zwar beliebt, aber auch umstritten – und das nicht nur in der Bevölkerung, sondern auch in seiner eigenen Partei. In der vergangenen Legislaturperiode war er formal nicht einmal mehr für Gesundheitspolitik zuständig, intern herrschte mancherorts Frust, dass er der eigentlichen gesundheitspolitischen Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Bärbel Bas, während der Corona-Pandemie die Show gestohlen hat. „Ich hatte auch so genug Einfluss“, so Lauterbach. „Meine Sachkompetenz ist geschätzt worden, parteiübergreifend. Und als Wissenschaftler habe ich auch früher schon viele Dinge angeregt, die später politisch umgesetzt wurden.“
Entsprechend seines schwierigen Standings war Lauterbach bei der Wahl auch nicht über einen aussichtsreichen Platz auf der Landesliste in Nordrhein-Westfalen abgesichert. Er erhielt lediglich Listenplatz 23 – zog aber mit einem überragenden Erststimmenergebnis von 45,6 Prozent in den Bundestag. „Ich habe damit gerechnet, dass ich hoch gewinne, weil mir sehr viele Leute an der Basis für meine Arbeit gedankt und mir gesagt haben, dass sie sich gut informiert und geschützt fühlen, auch durch meine Corona-Politik.“
Dass er seinen Wahlkreis dann so hoch gewinnen würde, habe er allerdings nicht erwartet. Durch die Rückmeldungen aus der Bevölkerung habe er gewusst, dass es kein knappes Ergebnis werden würde. „Aber dass es so hoch ausfallen würde, hätte ich nicht gedacht.“ Der Unterschied zwischen den Erst- und Zweitstimmen sei wohl für die SPD der höchste in ganz Deutschland gewesen. Nur Gregor Gysi sei für die Linke auf einen ähnlich hohen Abstand gekommen.
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