„Wir sind es leid“

Lauterbachs perfides Spiel: MVDA schreibt an Scholz

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Berlin -

Bundeskanzler Olaf Scholz soll seinen Gesundheitsminister an die Leine nehmen, diese Forderung wurde schon mehrfach seitens der Apotheken und Arztpraxen gestellt. Jetzt hat auch der MVDA nachgelegt und einen flammenden Brief ans Kanzleramt geschickt.

Schon kurz vor Weihnachten hatte der MVDA an Scholz geschrieben und seine Sorgen über Lauterbachs kurz zuvor veröffentlichte Reformpläne zum Ausdruck gebracht. Diese seien eine „unmittelbare Bedrohung“ für die Vor-Ort-Apotheken, aber auch für die Versorgung der Bevölkerung.

Da das Kanzleramt bislang nicht geantwortet hat, haben MVDA-Vize Dirk Vongehr und Daniela Kolb vom Arbeitskreis Gesundheitspolitik jetzt noch einmal nachgehakt – und den Brief auch gleich noch an Bundestagesabgeordnete, Oberbürgermeister und Landräte aller Parteien mit Ausnahme der AfD verschickt.

Mit dem Rücken zur Wand

Die Apotheken als „verlässlichste Säule der flächendeckenden Arzneimittelversorgung und niederschwelligster Zugang zu einer qualifizierten Gesundheitsberatung an sieben Tagen in der Woche“ stünden wirtschaftlich mit dem Rücken zur Wand. Scholz schaue aber schweigend zu, wie Lauterbach das Gesundheitssystem mutwillig zerstören und immer weiter entmenschlichen wolle. Statt den Dialog zu suchen, die Fakten und Sorgen anzuerkennen und diese in seine Überlegungen einzubeziehen, verbreite er medial Unwahrheiten und verhöhne die Proteste der Apothekerschaft gegen seine „fortschreitende Disruptionspolitik“ über die Sozialen Medien. „Dieser Umgang mit den Leistungserbringenden ist armselig und eines Fachministers nicht würdig!“

Er selbst habe in seiner Neujahrsansprache darauf hingewiesen, dass „das Land zu lange auf Verschleiß gefahren wurde“, erinnern sie Scholz. „Richtig, genau das spüren wir Apothekerinnen und Apotheker sowie unsere Mitarbeitenden tagtäglich. Denn zwölf Jahre ohne Vergütungsanpassung haben das System der niedergelassenen Apotheken ausbluten lassen.“

Schon bald verdiene die Hälfte des pharmazeutischen Fachpersonals nur unwesentlich mehr als den Mindestlohn. Denn die Tarifverhandlungen gestalteten sich schwierig, weil den Inhaber:innen schlicht die Erträge fehlten, um dringend notwendige, nennenswerte Lohnerhöhungen bezahlen zu können. „Wieso haben Ihrer Meinung nach unsere Mitarbeitenden, die jeden Tag für eine hochwertige Arzneimittel- und Gesundheitsversorgung einstehen, keine adäquate Bezahlung entsprechend ihrer Verantwortung für Menschenleben und auch ihrer persönlichen Lebensbedingungen verdient?“

Während den Verwaltungsangestellten der Krankenkassen eine Lohnerhöhung von 12 Prozent über die nächsten zwei Jahre gewährt werde, sei die Arbeit der Apothekenteams dem Kanzler und seinem Gesundheitsminister nichts wert. „Auch hier verspielen Sie Vertrauen, wenn offenkundig mit zweierlei Maß gemessen wird und verschärfen gleichzeitig aktiv durch Ihr Nichtstun den Fachkräftemangel in den Vor-Ort-Apotheken!“

Fehlendes Vertrauen

„Die wirtschaftlich aussichtslose Situation der Vor-Ort-Apotheke eskaliert durch die langanhaltende Inflation und bereitet immer mehr Inhaberinnen und Inhabern reale Existenzängste. Wir sind eingezwängt in ein Korsett, welches geschnürt ist mit maßlosen bürokratischen Prozessen, die nur auf Kontrollzwang und nicht auf Vertrauen in die ausführenden Personen beruhen, bei denen sowohl Einkaufs- als auch Verkaufspreise vom Gesetzgeber bestimmt werden und die wirtschaftlich erforderliche Handelsspanne durch immer mehr zusätzliche Servicegebühren unserer Dienstleister belastet wird.“

Dass die Abgabe von Rx-Packungen defizitär sei, sei ein „untragbarer Missstand“ und verdeutliche den unvermeidlichen Handlungsbedarf nach einer Honorarerhöhung. „Ihr Gesundheitsminister Karl Lauterbach verweigert sich jedoch, den Interessen der Vor-Ort-Apotheken nachzukommen und destabilisiert somit die bewährte Struktur der flächendeckenden Arzneimittelversorgung!“

Lauterbachs Pläne für eine Umverteilung seien mehr als leistungsfeindlich und ein gefährlicher Schritt in Richtung Planwirtschaft bei vollem Haftungsrisiko der Inhaber:innen. „Dieses perfide Spiel werden wir nicht mitspielen, die Apothekerschaft wird sich von Karl Lauterbach nicht spalten lassen!“

Apotheke wird unattraktiv

Auch die Idee, Light-Filialen ohne Apotheker:in zu erlauben, zeige mehr als deutlich, welchen Stellenwert er dem Berufsbild der Apotheker:innen, aber auch der Bevölkerung auf dem Land beimesse. Einerseits stünden überhaupt nicht genügend PTA zur Verfügung, andererseits würden sich dann noch mehr junge Apothekerinnen und Apotheker von der Vor-Ort-Apotheke abwenden: „Nennenswerte Neugründungen von Apotheken sind aufgrund fehlender wirtschaftlicher Perspektiven gepaart mit dem persönlichen Haftungsrisiko zunehmend unrealistisch.“

„Die vorgegaukelte Wertschätzung seitens Karl Lauterbachs erscheint da wie blanker Hohn“, schreiben die beiden Pharmazeuten. „Stattdessen bräuchte es für die nachfolgende Unternehmergeneration ein starkes Signal der Planungssicherheit und die Stärkung von Kompetenzen. Wo bleibt hier Ihr deutliches Bekenntnis zur Stärkung des Mittelstands und gegen das Ausbluten von wohnortnaher Infrastruktur und unwiederbringlichem Ladensterben?“

Auffällig sei, dass Lauterbach in zunehmendem Maße selektiv zu Lasten einer Berufsgruppe spare: „Vorhandene Gelder werden anstatt einer längst überfälligen Honoraranpassung für die Vor-Ort-Apotheken in die Planung von Gesundheitskioske geleitet. Deren angeblicher Nutzen für die Gesundheitsversorgung erschließt sich uns nicht, sondern führt unserer Einschätzung nach immer mehr zu einer Versorgungsverschlechterung und zur Verschärfung einer Ungleichbehandlung der Versicherten.“

„Wir sind es leid“

„Nahezu alle Apotheken werden geschwächt, das Apothekensterben wird fortschreiten, die Versorgung in der Fläche weiter gefährdet und die Patientinnen und Patienten die Verlierer sein!“ Ihre Wege würden weiter, die Arzneimittelberatung und Patient:innenbetreuung schlechter: „Es sind nicht nur die Lieferengpässe von Arzneimitteln, die die Patientinnen und Patienten deutlich spüren, sondern auch die nachlassende Motivation der Apothekenmitarbeitenden, die Lieferengpässe bei Arzneimitteln zu kompensieren, formale Fehler der Ärztinnen und Ärzte beim E-Rezept auszubügeln und damit immer mehr Retaxrisiken einzugehen. Wir sind es leid, stets am Ende der Kette zu stehen und finanziell für die von anderen verursachten Fehler und Unzulänglichkeiten geradezustehen sowie immer mehr zusätzliche Aufgaben in unser Honorar eingepreist zu bekommen.“

Ihre Kritik fassen Vongehr und Kolb in Stichpunkte zusammen:

  • „Ihr Gesundheitsminister Karl Lauterbach will die Probleme der Vor-Ort-Apotheken nicht wirklich lösen, sondern verschärft sie mit seinen Strukturreformplänen.“
  • „Ihr Gesundheitsminister Karl Lauterbach spürt die Frustration und die Wut von 160.000 Mitarbeitenden in den Vor-Ort-Apotheken, lässt sie aber im Stich und übergießt eine ganze Branche lieber mit Spott und Häme.“
  • „Ihr Gesundheitsminister Karl Lauterbach verweigert sich konstruktiven Gesprächen mit den Apotheker:innen, um die ortsnahe Arzneimittelversorgung der Patientinnen und Patienten zu sichern.“
  • „Ihr Gesundheitsminister will mit seinen Plänen die Gesundheitsversorgung in der Fläche drastisch herunterfahren. Patient:innen außerhalb von Städten werden zukünftig nicht einmal mehr zweitklassig, sondern medizinisch unterversorgt zurückgelassen. Ist das das neue Credo Ihrer SPD?“
  • „Stattdessen hat Ihr Gesundheitsminister offensichtlich ein größeres Interesse daran, sein Ego in Fernsehshows wie der ‚ultimativen Chartshow‘ und als Dauergast bei Markus Lanz zu präsentieren.“

Und zum Abschluss folgt ein flammender Appell an Scholz, sich der Sache persönlich anzunehmen: „Herr Bundeskanzler, es ist an der Zeit, die Arzneimittelversorgung zur Chefsache zu erklären und zu handeln! Stoppen Sie den blinden, undurchdachten Aktionismus Ihres Gesundheitsministers! Vor-Ort-Apotheken und ihre Mitarbeitenden müssen gestärkt werden.“

Lauterbach täuscht Öffentlichkeit

Die Apotheken brauchten „eine faire und verlässliche Gesundheitspolitik und einen Gesundheitsminister, der den Leistungserbringer:innen Vertrauen entgegenbringt und respektvoll mit ihnen an Lösungen für eine zukunftsorientierte Versorgung arbeitet“. Was man nicht brauche, sei ein Minister, der sich selbst am liebsten im Fernsehen und auf den Titelseiten sehe und in erster Linie über die Akteure im Gesundheitswesen spreche als mit ihnen, etwa indem er seine unabgesprochenen Reformpläne regelmäßig vorab in der Laienpresse platziere: „Ist das der von Ihnen gutgeheißene, neue Politikstil?“

Mit seinen zahllosen Medienauftritten wolle Lauterbach die Öffentlichkeit glauben lassen, dass er für eine Versorgungsverbesserung sorge. Damit werde man ihn nicht durchkommen lassen: „Wir werden nicht davor zurückschrecken, unsere täglich vier Millionen persönlichen Kundenkontakte dafür zu nutzen, um aufzuklären, wer für diese Entwicklung die Verantwortung trägt. Die sozialistisch-kommunistische Agenda des Zerstörens und Neuerschaffens von Strukturen, die sich nicht an den realen Bedürfnissen der Bevölkerung orientiert und die systemrelevanten, an der Versorgung der Patient:innen Beteiligten nicht in den Dialog einbezieht, wird zu einem weiteren Unsicherheitsfaktor für Ihre Politik führen. Wollen und können Sie ein derartiges Experiment in einem Bereich der hoheitlichen Daseinsvorsorge wirklich verantworten?“

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