SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach will Krankenkassen die Kostenerstattung von Homöopathie verbieten. „Wir müssen in der Groko darüber reden“, sagte er dem „Tagesspiegel“. Lauterbach zufolge müssen auch freiwillige Leistungen wirtschaftlich und medizinisch sinnvoll sein. Der Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), Josef Hecken, unterstützt Lauterbach. Bereits im September 2018 hatten beide mit gleichlautenden Interviews in der Stuttgarter Zeitung die Homöopathie-Debatte befeuert.
Der SPD-Gesundheitsexperte verweist mit seinem Vorstoß auf Frankreich. Dort hat die Gesundheitsbehörde HAS festgestellt, dass homöopathische Arzneimittel wissenschaftlich gesehen nicht ausreichend wirksam seien. Daher sei eine Erstattung nicht gerechtfertigt. „Im Sinne der Vernunft und der Aufklärung sowie des Patientenschutzes ist es auch in Deutschland falsch, dass Kassen aus Marketinggründen Homöopathie bezahlen“, erklärte Lauterbach auf Twitter.
Der G-BA, der über die Pflichtleistungen der Kassen entscheidet, unterstützt Lauterbach. Behandlungsmethoden ohne klaren Beleg für Wirksamkeit und Nutzen sollten „nicht noch dadurch geadelt werden, dass sie von Kassen als Satzungsleistungen bezahlt werden“, sagte Hecken dem Tagesspiegel.
Kritik an Lauterbachs Vorschlag kommt aus der Union. Deren gesundheitspolitische Sprecherin, Karin Maag, findet es falsch, die freiwilligen Leistungen zu beschränken: „Wir führen keinen Kreuzzug gegen Heilpraktiker und Naturheilverfahren“, sagte sie dem Tagesspiegel. Sie halte es für richtig, die Entscheidungsfreiheit der Patienten zu wahren.
Bereits im September 2018 hatten Lauterbach und Hecken gemeinsam Attacke auf die Homöopathie geritten. Im Zentrum der Kritik standen auch damals die Kostenübernahme durch die Krankenkassen, die Apothekenpflicht für homöopathische Medikamente und die angeblich mangelnde Qualifikation von Heilpraktikern und Homöopathen. Hecken sagte seinerzeit gegenüber der Stuttgarter Zeitung: „Versicherte müssen sich verlassen können, dass die Kassen nur bezahlen, was einen Wirkungsnachweis erbracht hat.“ Er forderte „die Streichung der Homöopathie aus den Satzungsleistungen der Kassen, also den freiwilligen Leistungen“.
Hecken sah auch „keinen Grund für die Apothekenpflicht“. Sie suggeriere, „dass es sich um Produkte mit erwiesener Wirksamkeit handelt, die einer Beratung bedürften“. Tatsächlich aber läge die medizinische Evidenz homöopathischer Produkte „auf dem Niveau von Brausetabletten und Nahrungsergänzungsmitteln“. Mit der Homöopathie auf Kundenfang zu gehen, sei nicht mit der Verantwortung der Krankenkassen gegenüber ihren Versicherten vereinbar, hatte Hecken bereits bei früherer Gelegenheit kritisiert. Ein Nutzennachweis für die alternative Heilmethode fehle; man solle die Kostenübernahme nicht nutzen, um neue Versicherte in die Kasse zu kriegen.
Auf Unterstützung für seine Forderungen stieß Hecken vor neun Monaten bei Gesundheitspolitikern der Großen Koalition: „Die Apothekenpflicht kann abgeschafft werden“, sagte Mechthild Heil, Verbraucherschutzbeauftragte der Unionsfraktion, der Stuttgarter Zeitung. Die CDU-Gesundheitspolitikerin Claudia Schmittke pflichtet ihr bei: „Wenn die Kassen einen wissenschaftlichen Nutzen nachweisen können, darf es eine Erstattung geben. Sonst nicht.“
Lauterbach sagte derselben Zeitung: „Als Arzt halte ich die Homöopathie für völlig wirkungslos. Ich wünsche den Kollegen der Union bei diesem Waffengang viel Erfolg.“ Der CDU-Gesundheitspolitiker Stephan Pilsinger schlug eine „eigene Ausbildungsverordnung für Homöopathen und Heilpraktiker“ vor.
Deutlich vorsichtiger äußerte sich allerdings Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zur Homöopathie: Befragt, warum die Kassen die Kosten für Homöopathie übernehmen dürfen, antwortete Spahn: „Ich verstehe die Bedenken. Wir legen in vielen Bereichen großen Wert auf Evidenz: bei der Zulassung von Arzneimitteln, bei Medizinprodukten oder bei neuen Behandlungsmethoden. Dieser Nutzen kann bei der Homöopathie nicht wissenschaftlich nachgewiesen werden.“ Trotzdem sollten aus seiner Sicht die Kassen ihren Versicherten Homöopathie als zusätzliche Satzungsleistung oder über Wahltarife anbieten können: „Grundsätzlich ist es jedem unbenommen, homöopathische Mittel zu kaufen. Es muss nur sichergestellt sein, dass sie nicht schaden.“
Kürzlich ging auch der „Spiegel“ in einer Titelgeschichte hart mit Alternativmedizin ins Gericht. Das Geschäft mit esoterischen Therapien wie Homöopathie boome. „Gutgläubige Patienten werden dabei mit falschen Hoffnungen geködert“, hieß es in einem Artikel. Auch Apotheken verdienten „kräftig“ mit. Alternativmedizin könne man nicht verbieten, sagte der Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), Professor Dr. Jürgen Windeler, dem Spiegel. Aber es sei möglich, sie „wenigstens einzudämmen“. Lauterbach erlebte laut eigenen Aussagen „den größten Shitstorm“ seiner Karriere, als er die Abschaffung der Bezahlung homöopathischer Behandlungen durch die Krankenkassen forderte. Und: „Ich bin im kampferprobt im Umgang mit Lobbygruppen“, sagte er dem Magazin.
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