Karl Lauterbach (SPD) will mehr sein als ein normaler Gesundheitsminister. Denn seine Vorgänger hätte zu viele Baustellen hinterlassen, die er nun abarbeiten müsse. Das sagte er großen Weihnachtsinterview mit der Bild am Sonntag.
Beim Interview in Lauterbachs Lieblingsitaliener im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg geht es zunächst viel um private Themen: Weihnachten, Partnerschaft, Ernährung, Alkohol und seine Erfahrung mit Cannabis. Dann kommt man zum „Geschäft“: Wie es denn nach Corona weitergehe? Ob Lauterbach jetzt ein ganz normaler, unbeliebter Gesundheitsminister werde, der irgendwie versuche, das Gesundheitssystem zu flicken?
„Ich will keine kleinen Reparaturen machen, sondern große Reformen durchsetzen: Die Finanzierung der Krankenhäuser neu aufstellen, die Digitalisierung endlich voranbringen von der elektronischen Patientenakte bis zum E-Rezept, die Bezahlung in der Krankenversicherung und der Pflege neu regeln, die Arzneimittelengpässe beseitigen, mehr Medizinstudienplätze schaffen, neue Aufgaben für Pflegekräfte ermöglichen“, so Lauterbachs Antwort.
Das sei mehr als das Alltagsgeschäft. „Ich gehe an die großen Brocken heran, die seit 2009 liegen geblieben sind, weil sie keiner meiner Vorgänger angepackt hat. Bei diesem Problemstau muss ich wesentlich mehr bringen als ein Standardgesundheitsminister.“
Ein weiteres wichtiges Thema auf seiner Agenda: „Wir müssen in drei Bereichen die Ökonomisierung sofort durchbrechen, weil sie zentral auf die Versorgungsqualität der Patienten geht.“ Dabei gehe es um Kliniken, die keine Pauschalen mehr bekommen sollen und nur noch die Eingriffe abrechnen dürfen, die sie qualitativ hochwertig durchführen klönnen. „Ich mache Schluss damit, dass Kliniken schlecht ausgeführte OPs durchziehen, nur weil es sich finanziell lohnt.“
Im Bereich der Generika sei ein System entstanden, „in dem wir den letzten Cent rauspressen“. Folge sei, dass viele Medikamente phasenweise nicht verfügbar seien, etwa für Krebsbehandlung und Kindermedizin. „Diese Discounter-Mentalität beende ich. Versorgungssicherheit muss vorgehen.“
Und außerdem wolle er verhindern, dass weiterhin „Investoren mit absoluter Profitgier“ Arztpraxen aufkaufen. „Es gibt den fatalen Trend, dass Investoren medizinische Versorgungszentren mit unterschiedlichen Facharztpraxen aufkaufen, um sie anschließend mit maximalem Gewinn zu betreiben.“ Im ersten Quartal 2023 werde er einen Gesetzentwurf vorlegen, der den Einstieg dieser „Heuschrecken“ in Arztpraxen unterbinde. „Die Praxen müssen denen gehören, die dort tatsächlich arbeiten. Dann ist auch Schluss damit, dass ein Promi-Arzt seinen Namen für Dutzende Praxen hergibt, in denen junge Ärzte Hamsterradmedizin mit unnützen Behandlungen in schlechter Qualität betreiben, um absurde Profitziele zu erreichen.“
Wie viel Profit ist im Gesundheitswesen legitim? „Gewinne im zweistelligen Bereich halte ich nicht für vertretbar. Wenn Sie 10 Prozent Rendite oder mehr rausholen, dann ist das mit seriöser Medizin kaum möglich.“
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