Resistenzen gegen Antibiotika nehmen weltweit seit Jahren zu, betonte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) heute auf einer Fachkonferenz zu antimikrobiellen Resistenzen. Dieses wichtige Thema, das jährlich vermeidbare Todesfälle verursache, dürfe nicht aufgrund anderer Krisen in den Hintergrund geraten. Neben der Entwicklung neuer Antibiotika und der Einschränkung des Medikamenteneinsatzes in der Landwirtschaft sei es ebenso wichtig, die Verschreibungspraxis zu überdenken. Dabei könnten Tests vor der Verschreibung eine Rolle spielen – möglicherweise auch in Apotheken.
Resistenzen gegen Antibiotika stiegen seit Jahren an. Immer mehr Erreger entwickelten Resistenzen, gleichzeitig komme die Entwicklung neuer Antibiotika nicht hinterher. „Wir fallen zurück, während die Krankheiten voranschreiten“, so Lauterbach.
Auch mit Parteikollegen und Bundeskanzler Olaf Scholz habe sich Lauterbach über das Thema ausgetauscht. „Wir brauchen eigentlich eine weltweite Initiative, wie sie im Kampf gegen das Ozonloch umgesetzt wurde“, zitiert Lauterbach Scholz. Eine solche Initiative gebe es in der Breite noch nicht. In Deutschland arbeite man zum Beispiel im Rahmen der Deutschen Antibiotika-Resistenzstrategie (DART) an einem Aktionsplan.
Man müsse die Erfolge klar benennen, aber auch die Probleme sehen, betonte der Minister. So würden bei einigen Krankheitsbildern die Raten resistenter Erreger in Deutschland sinken, beispielsweise bei MRSA, oder sie verharrten auf einem niedrigen Niveau. Auch die Abgabemenge von Antibiotika reduziere sich. „Das sind wichtige Fortschritte, aber sie reichen nicht aus“, so Lauterbach.
Denn gemessen an den Ergebnissen seien die bestehenden Herausforderungen größer als die bisherigen Erfolge. Beispielsweise sei die Zahl der Todesfälle durch Sepsis in Deutschland hoch. Auch Ärzte unterschätzten die Gefahr durch Sepsis, sagte Lauterbach. Die Sepsis-Quote in Deutschland sei sogar höher als in anderen Ländern mit vergleichbaren Gesundheitssystemen, was unter anderem auf die Struktur der Krankenhäuser zurückzuführen sei: Es fehle an spezialisierten Abteilungen für Infektiologie. Das habe man im Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) bereits angegangen. Laut WHO gebe es pro Jahr in Deutschland rund 85.000 Menschen, die an Sepsis sterben. Dabei seien die meisten Fälle vermeidbar. „Wir dürfen nicht zulassen, dass wir vor kleinen Verletzungen oder Infektionen wieder Angst haben müssen“, betonte Lauterbach.
Lauterbach zeigte sich auf Nachfrage in Bezug auf die Krankenhausreform optimistisch. Er sei zuversichtlich, dass die Reform morgen im Bundesrat verabschiedet werde. „Wir können uns auch nicht leisten, diese wichtige Reform nicht zu beschließen.“
Um die Situation zu verbessern, müssten zum einen Infektionen vermieden werden. Darüber hinaus sei es notwendig, die Verschreibungspraxis bei Mensch und Tier zu überarbeiten, Antibiotika gezielter dort einzusetzen, wo sie medizinisch sinnvoll seien, und die Entwicklung neuer Antibiotika zu fördern.
Lauterbach betonte, dass er im engen Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen aller demokratischen Parteien stehe, um die Herausforderungen anzugehen. Er versprach, dass die erforderlichen Gesetze aus dem Bundesgesundheitsministerium kommen werden – unabhängig davon, ob er selbst oder ein Nachfolger das Amt innehaben wird.
„Wenn wir Antibiotika weiterhin ungefiltert in der Landwirtschaft einsetzen und Breitbandantibiotika in Praxen verschreiben, auch dort, wo es nicht notwendig ist, dann bekommen wir das Problem nicht in den Griff“, wiederholt Lauterbach. Durch Testungen vor einer Verschreibung könnten Antibiotika spezifischer eingesetzt und ein unnötiger Gebrauch eingeschränkt werden. „Apotheken könnten hier ebenfalls eingebunden werden. Das muss genau diskutiert werden“, so Lauterbach auf Nachfrage.
Auch der Einsatz von Antibiotika in der landwirtschaftlichen Tierhaltung müsse weiter reduziert werden. Landwirte verdienten Respekt, aber nicht auf Kosten eines übermäßigen Einsatzes von Antibiotika. „Wir dürfen keine Angst vor Protesten haben, wenn es um ein so wichtiges Thema geht“, appelliert Lauterbach.
Beim Thema Forschung setzt der Minister auf neue KI-Methoden. Die Entwicklungen in diesem Bereich schreiten schnell voran, erklärte Lauterbach. Mit dem Medizinforschungsgesetz (MFG) und dem Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG) habe man die medizinische Forschung erleichtert und bessere Voraussetzungen für die Nutzung von KI sowie medizinischer Daten geschaffen. „Wir brauchen bessere Forschung, und dafür brauchen wir KI“, betonte der Minister.