Im Vorfeld der Wahlen in Thüringen schaute Karl Lauterbach (SPD) für Cornelia Klisch in Erfurt vorbei. Die Ärztin sitzt für die SPD im Landtag und lud gestern zusammen mit dem Bundesgesundheitsminister zur Sprechstunde. Fragen konnten vorab eingereicht werden, eingeladen waren Vertreter aus allen gesundheitspolitischen Bereichen. Auch Apothekerin Andrea Kern war dabei – und froh, als die zwei Stunden des Termins vorbei waren. Ihr Infostand am Vormittag machte da deutlich mehr Spaß.
Kern betreibt im thüringischen Suhl die Apotheke Heinrichs und ist auch in der Kammer und als Gebietsvertrauensapothekerin standespolitisch aktiv. Gestern beteiligte sie sich erst an den Regionalständen, die quer durch Thüringen Passant:innen über die geplante Apothekenreform informieren sollen. Auch eine Anzeige in der Bild-Zeitung und ein Radiospot gehört zur Kampagne der Apothekerschaft. „Es passiert etwas“, befindet auch Danny Neidel, Geschäftsführer der Landesapothekerkammer Thüringen (LAKT), der Bewegung in den öffentlichen Widerstand gegen die Reform kommen sieht.
Der Beitrag im Radio habe es den Apothekerinnen und Apothekern vor Ort erleichtert, mit den meist älteren Passant:innen ins Gespräch zu kommen, berichtet Kern. In der Innenstadt von Suhl baute sie gestern Morgen mit Mitstreiter:innen ihren Stand auf. „Ich war positiv überrascht“, so Kern. Viele der Angesprochenen hatten bereits vom Anliegen der Apothekerschaft gehört, so kamen auch schnelle viele Unterschriften für die Petition der Kammer zusammen.
„Das war fast ein Selbstläufer“, freut sich die Inhaberin über die Aktion. Letztes Jahr im Sommer sei das schwieriger gewesen. „Das hat motiviert, wenn man den Rückhalt spürt.“ Mit den Geschäftsleuten, die dann zur Mittagspause am Stand vorbeikamen, war es dann aber zäher. Zudem musste auch der Stand umgestellt werden, da zum Wahlkampf mittags auch die Stände der Parteien aufgestellt wurden – neben der AfD wollten die Apotheker:innen nicht bleiben.
So positiv der Vormittag also war, umso schwieriger war der Abend. Hier hatte Klisch zum Thema „kränkelnder Patient Gesundheitspolitik in Thüringen“ geladen. Zur „Sprechstunde“ in der Cafeteria des Finanzministeriums kamen etwa 200 Personen, beispielsweise aus Krankenhäusern, Praxen und anderen Gesundheitsbereichen. „Wir sind ja alle nicht so gut auf ihn zu sprechen“, so Kern über ihren Berufsstand, aber andere Berufe im Gesundheitswesen.
Was am Abend deutlich wurde: Lauterbach „zündelt an allen Ecken“, so Kern, statt erst einmal eine Sache richtig anzupacken. „Ich habe mir nicht viel erwartet“, sagt sie, schließlich ging es in erster Linie um den SPD-Wahlkampf. Lauterbach habe dann auch von seinen vielen Reformen gesprochen, die derzeit alle in der Schwebe sind.
Die zwei bis drei Fragen, die aus jedem Bereich ausgesucht wurden, „hat er versucht zu beantworten oder zu umgehen“, beschreibt Kern das Vorgehen des Gesundheitsministers. Statt Antworten zu liefern, habe er aber minutenlang und sich wiederholend zu Dingen referiert, die gar nicht gefragt wurden. „Erhellendes“ habe die Inhaberin zwar auch nicht vom Termin erwartet, doch dass es so zäh werden würde auch nicht. Zudem: „Manche Fragen will er falsch verstehen.“ Eine Frage aus der Apothekerschaft zur Datenbasis der Reforminhalte verstand Lauterbach als eine Nachfrage zu einer Personalie im Bundesgesundheitsministerium (BMG).
Außerdem habe Lauterbach mehrfach darauf beharrt, dass über viele Dinge zum jetzigen Stand der Reform noch gar nicht im Detail gesprochen werden könne – „und warum leakt er das dann in der FAZ?“, fragt sich die Apothekerin. Nach dem vielen Gerede um den heißen Brei sei sie am Ende froh gewesen, als die zwei Stunden vorbei waren.
Lauterbach sagte bei dem Termin jedoch, dass er bereit sei, die Krankenkassenbeiträge zu erhöhen, damit die Kliniken gerettet werden könnten, bis seine entsprechende Reform hier greife. „Warum für die Krankenhäuser und für die anderen nicht?“, fragte ihn Kern daraufhin. Aber auch hierauf gab es keine konkrete Antwort an diesem Abend.
Beim vorherigen Besuch eines Krankenhauses ging Lauterbach konkreter auf Kritik ein: Neidel warf ihm unter anderem „Etikettenschwindel“ vor. „Die Anwesenheit des verantwortlichen Apothekers, der verantwortlichen Apothekerin auf acht Stunden in der Woche zu reduzieren und gleichzeitig so zu tun, als bliebe alles beim Alten, ist aus meiner Sicht nahe am Betrug der Bevölkerung.“
Lauterbach wies diese Kritik beim Termin am Erfurter Helios-Klinikum zurück. „Niemand schreibe einem Apotheker vor, höchstens acht Stunden vor Ort zu sein. Das sei eine Untergrenze, keine Obergrenze“, so der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) zu Lauterbachs Aussagen hierzu. Im Interview mit dem MDR betonte Lauterbach auch erneut gebetsmühlenartig, dass das der richtige Ansatz sei, um dem Versandhandel nicht das Feld zu überlassen.
APOTHEKE ADHOC Debatte