Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat die Abschaffung der kostenlosen Bürgertests ohne Indikation oder Anlass verteidigt. Die aktuell hohe Dunkelziffer stehe damit nicht in Zusammenhang. Und auch die Kontrolle der Testzentren funktioniere.
Lauterbach zufolge gibt es weiterhin die Möglichkeit, für bestimmte Personen oder aus bestimmten Anlässen kostenlose Bürgertests durchzuführen. Vielfach werde die Schutzgebühr von 3 Euro erlassen – aber selbst dort, wo sie erhoben werde, würden Test in großem Umfang durchgeführt. Er kenne kein Land in Europa, wo die Tests noch so flächendeckend möglich seien. Die hohe Dunkelziffer lasse sich darauf nicht zurückführen.
Zu den aktuellen Abrechnungsprüfungen der Testzentren konnte Professor Dr. Lothar Wieler, Präsident des Robert Koch-Insittuts (RKI), keine Angaben machen: „Das ist ein laufender Prozess, dazu bin ich nicht sprachfähig.“ Aufgrund der kurzen Zeit sei man nicht in der Lage, Vergleiche zu vorherigen Prüfungen anzustellen. „Sie können versichert sein, dass wir das nach bestem Wissen und Gewissen machen. Und wir finden auch Plausibilitäten.“ Zusätzliches Personal gebe es nicht, derzeit seien fünf Personen mit der Kontrolle beschäftigt. Von einem Etikettenschwindel könne aber keine Rede sein.
Lauterbach warf sich angesichts der vermeintlich geringen Personalausstattung in die Bresche: Die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) übernähmen ihre Aufgaben ja weiter, sogar mit doppelter Stichprobe. Neu hinzugekommen sei die statistisch-epidemiologische Auswertung. Dazu sei das RKI sehr gut vorbereitet. „Die Aufgabe wird sehr gut gemacht.“ Die Informationen gingen dann an die Länder, die daraus ihre Schlüsse ziehen müssten. „Wir greifen durch, das ist kein schlechtes Verfahren. Wir sehen auch Auffälligkeiten.“ Lauterbach deutete an, dass man demnächst weitere Informationen vorstellen werde.
Zum Immunstatus der Bevölkerung konnte Wieler keine Aussagen machen. Die Antikörpertiter korrelierten zwar mit der Immunität, die Angabe eines Grenzwerts sei aber nicht möglich. „Wir wissen auch nicht, wer wie oft und womit geimpft ist.“
Derweil macht Lauterbach sich Sorgen wegen der neuen Omikron-Varianten. Aufgrund der Immunflucht könnten die Impfungen weniger wirksam sein. Er sei mit den Herstellern im Gespräch, um weitere angepasste Impfstoffe zu bekommen.
Lauterbach will die Impfkampagne beschleunigen, um die bestehenden Impflücken zu schließen. Denn gerade bei Risikogruppen könne die vierte Impfung das Risiko für einen schweren Verlauf um 90 Prozent senken. Leider seien hier zu wenige Menschen geimpft. Er versprach, dass die Corona-Pandemie im Herbst zwar wieder zunehmen, aber nicht das dominierende Thema werde. Andere Varianten, die noch kommen könnten, seien derzeit noch „weit weg“.
Kritik kam an Abweichungen vom Infektionsschutzgesetz (IfSG) in Bayern. Man werde das Ziel, dass Corona nur im Hintergrund bleibe, nur erreichen, wenn man die Maßnahmen einhalte. Viele hätten geglaubt, dass die Pandemie nach dem Sommer vorbei sei. „Aber diese Hoffnungen werden sich nicht erfüllen. Daher wird es auch viele erreichen, die sich bisher nicht haben impfen lassen.“
Wieler wies darauf hin, dass man derzeit einen ungewöhnlich starken Anstieg an Atemwegserkrankungen sehe. Dies sei auf weggefallene Kontaktbeschränkungen zurückzuführen. Vorne lägen aber Rhinoviren, Corona folge erst auf Platz 2 vor RSV. Die aktuellen Varianten seien mild, allerdings gebe es immer noch schwere Verläufe, und auch Arbeitsausfälle könnten ein Problem werden. Er riet daher zu Corona- und Grippeimpfung in der Arztpraxis.
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