Lauterbach: „Reform mitgehen, sonst tut es jemand anderes“ Katharina Brand, 19.09.2024 11:47 Uhr
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) führte am Mittwoch ein Gespräch mit zehn Apothekerinnen und Apothekern. Nachdem er anfänglich noch interessiert wirkte, ging er mit einem Knall: Wenn die Apotheken sein Apothekenreformgesetz (ApoRG) nicht mitgingen, werde es der Versandhandel tun. So zumindest die Interpretation der anwesenden Inhaber:innen.
Mit etwas Verspätung traf Lauterbach zum Gespräch um kurz nach 13 Uhr ein – blieb aber für die versprochene Stunde. Neben den Wahlkreisabgeordneten Johannes Arlt, Wiebke Papenbrock und Herbert Wollmann, die zehn Apothekerinnen und Apotheker zum Gespräch geladen hatten, war auch der für die Reform zuständige Abteilungsleiter Thomas Müller anwesend.
Eines stellten die Pharmazeuten zu Beginn des Gesprächs klar: „Wir sind nicht von der Standesvertretung, wir sind nicht von der Abda, sondern wir repräsentieren die einfachen Apotheker vom Land.“ Ein mitgebrachter 10-Punkte-Plan ist die Essenz der Chancen und Nachteile, die die Apothekerinnen und Apotheker im Gesetzesentwurf erkennen. Strukturiert stellten die Pharmazeuten ihren Plan Punkt für Punkt vor und untermauerten ihn jeweils mit Zahlen und Fakten.
Der Zehn-Punkte-Plan
- Absenkung des Kassenabschlag auf 0 Euro
- Sofortige Anpassung des Apothekenhonorars
- Wiederfreigabe 3 Prozent Skonto
- Kostenlose PTA-Ausbildung
- Effizienzreserven bei Krankenkassen hebe à Beispiel: Fusionen
- Senkung der Mehrwertsteuer
- Kontrolle versicherungsfremder Leistungen
- Umsetzung des Light-Konzepts nur unter strengsten Vorschriften
- Auskömmliche Finanzierung von pharmazeutischen Dienstleistungen
- Evaluierung des Punkteplans
Nicken, mitschreiben, Bombe platzen lassen
Apothekeninhaber Armin Noeske, Inhaber der Rats-Apotheke in Teterow und der Fontane-Apotheke in Waren, war einer der geladenen Apothekerinnen und Apotheker. Er erlebte den Bundesminister durchaus aufmerksam; sowohl Lauterbach als auch Müller schrieben hier und da mit, auch Nachfragen wurden gestellt. „Ab und zu sah es so aus, als ob die Erkenntnis bei ihm ankommt“, so Noeskes Eindruck. Aufgefallen ist ihm dies beispielsweise beim Punkt der untervergüteten Polypharmazie. „Da hat er sich durchaus einsichtig gezeigt. Wir konnten ihm verständlich machen, dass er bei der Vergütung vom Idealfall ausgeht – der nie eintritt", bekräftigt der Apotheker.
Nach der Vorstellung des Plans gab es dann Feedback vom Bundesgesundheitsminister. Eine echte Diskussion mit Lauterbach ergab sich laut Noeske dabei nicht. „Wir haben ihm deutlich gesagt, dass wir Geld brauchen. Er sagte, er habe kein Geld.“ Das Problem liege nicht beim BMG, sondern in den Absprachen mit den anderen Leistungserbringern und den Krankenkassen, so Lauterbach. „Wir haben dann versucht, konstruktiv auf ihn zuzugehen und erklärt, dass durchaus Geld im System ist, dies aber anders verteilt werden müsse“, so Noeske. Die Apothekerinnen und Apotheker brachten dazu auch Beispiele.
„Nach unserer Vorstellung hat er viel darüber erzählt, was er gerade macht, ist aber nicht darauf eingegangen, welche Veränderungen er bezüglich der Apotheken anstrebt“, so Noeske. Das Gefühl, dass Lauterbach von seiner aktuellen Position abrücken wird, stellte sich beim Apotheker nicht ein. Zwar betonte Lauterbach abschließend, dass er für die Apotheke vor Ort sei und sich für Apotheken einsetze. „Aber wenn wir die Reform nicht mitgehen, tut es jemand anders, so seine Botschaft.“
Aufgeben ist keine Option
„Plötzlich stand diese Drohung mit dem Versandhandel im Raum“, so Noeske in Bezug auf die Aussage Lauterbachs. Zwar benannte der Gesundheitsminister die Versender nicht konkret; die Andeutung wurde von allen anwesenden Apothekerinnen und Apotheker aber gleich aufgefasst.
Da eine weitere Diskussion mit ihm nicht möglich war – Lauterbach zog nach einem kurzen Fototermin weiter – war es an Arlt, Papenbrock und Wollmann die Wogen zu glätten. Der O-Ton: Man müsse versuchen, den Gesetzesentwurf für sich zu gestalten, beispielsweise in puncto Apotheke ohne Apotheker.
„Wir bitten um Veränderung, anfangs wird zugehört, dann geht das alles nicht, dafür sei das Ministerium nicht da, das Gesetz soll durchgebracht werden“, ärgert sich der Apotheker „Durch sein Schlussplädoyer hat er den anfänglich guten Eindruck wieder zunichte gemacht.“
Die Hoffnung wollen Noeske und Kollegen dennoch nicht aufgeben: „Wir werden weiterkämpfen, aufgeben ist keine Option.“