Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hält an seiner Apothekenreform fest – denn er ist überzeugt, dass sie am Ende dem Erhalt der flächendeckenden Versorgung nützt. Mit der Verhandlungslösung werde der Weg frei gemacht für höhere Honorare und mit der „Tochter-Filiale“ ohne Approbierte vor Ort könnten Standorte gerettet werden, die heute aufgegeben werden. Insofern bitte er die Apothekerschaft darum, ihm seinen guten Willen abzunehmen: „Wenn wir nichts tun, geht das Apothekensterben weiter wie bislang.“
Ein paar Sachen seien unstrittig: So sei das Honorar der Apotheken seit Jahren nicht gestiegen, „das packe ich an, wie viele andere Dinge, die einfach liegen geblieben sind“, so Lauterbach bei einem Wahlkampftermin der sächsischen SPD-Spitzenkandidatin Petra Köpping in Chemnitz. „Wie in jedem anderen Bereich könnten die Honorare künftig verhandelt werden, sodass die Apotheken dann aller Voraussicht nach höhere Abgabehonorare erzielt werden können als das, was jetzt bezahlt wird.“
Er setze damit Forderungen der Apothekerverbände um: „Nur die Apotheker waren abgekoppelt. Daher ist das Apothekenhonorar nicht gewachsen. Das ist aber nichts, was ich zu vertreten habe, sondern das ist das, was ich ablöse.“ Mit der Reform kämen Apothekerinnen und Apotheker in die gleiche Lage wie Ärzte, Zahnärzte oder Physiotherapeuten: „Das Honorar steigt mit der Morbidität und mit den Gesamteinnahmen der Krankenkassen. Somit würde das Honorar steigen und dynamisiert.“ Daher habe man die 8,35 Euro auch nicht auf einen neuen staatlich regulierten Betrag angehoben, der dann abermals statisch sei. „Die Apotheker müssen genau wie die anderen Gesundheitsberufe auch ihr Honorar verhandeln. Dann steigt es aber auch mit der gleichen Dynamik wie in den anderen Bereichen.“
Es gebe einen wesentlichen Dissenz bei der Reform: „Was mache ich, wenn die Apotheke geht?“, so Lauterbach. „Habe ich dann die Möglichkeit, hier wenigstens eine Filialapotheke zu unterhalten, wo der Apotheker zumindest zeitweise, meinetwegen an einem oder zwei Tagen pro Woche da ist, oder ist sie komplett weg? Und es kommt der Versandhandel.“
Es gehe nicht darum, Apotheken zu ersetzen. Auch in Zukunft müssten Apotheken immer durch Apothekerinnen und Apotheker geleitet werden. Sie müssten nur nicht mehr täglich in der Apotheke sein. Es gehe darum, durch „Tochter-Apotheken“ ein Angebot zu schaffen, wo es sonst nichts gebe. „Ich bin auch, bei allem Respekt, der Meinung, dass auch Pharmazeutisch-Technische Assistenten zum Fachpersonal gehören. Der Apotheker muss nicht immer da sein, er muss aber immer die Präsenz über Telepharmazie anbieten. Darüber werden wir noch viel sprechen müssen.“
Das Anliegen sei jedenfalls das gleiche: die hohe fachliche Kompetenz der Apotheken zu erhalten. „Wir wollen aber darüber hinaus ein Angebot bieten für die Bereiche, wo sonst die Apotheke wegfallen würde und nur der Versandhandel bliebe.“
„Warum ist das so wichtig? Wenn wir das nicht machen, wenn wir auf Tochter-Filialen dieser Art komplett verzichten und sagen, es muss immer, zu jedem Zeitpunkt, so lange die Apotheke offen ist, ein Apotheker vor Ort sein, dann werden wir in kurzer Zeit in vielen Bereichen keine Apotheke mehr haben.“ Gerade in ländlichen Bereichen gebe es keine Apothekerinnen und Apotheker, die bereit seien, ohne Unterbrechung in der Apotheke zu sein. Man müsse sich entscheiden, ob der Versandhandel dort übernehme, so wie es laut Lauterbach angeblich in vielen anderen europäischen Ländern bereits der Fall ist, oder ob dort telepharmazeutisch bestimmte Beratungen stattfinden könnten. „Mir ist es lieber, dass ein Apotheker über Telepharmazie die Apotheke erhält.“
„Ich kann verstehen, dass Sie dieses Thema sehr bewegt“, so Lauterbach zu den anwesenden Apothekerinnen und Apothekern. „Sie können mir aber glauben, dass ich versuche, die Struktur zu erhalten.“ Im politischen Berlin gebe es viele, die argumentierten: Tu Dir den Ärger nicht an, wozu der Streit mit den Apothekern, lass es doch einfach in den Versandhandel laufen. „Ich versuche mit Ihnen eine konstruktive Lösung hinzubekommen. Es gibt viele, die sagen: ‚Boah, die Apotheker auf der Zinne, machen ein Riesenproblem, lass es doch einfach rollen.‘ Dann verlieren wir aber weiter ein paar hundert Apotheken pro Jahr und haben keine Perspektive. Daher bitte ich Sie nur: Nehmen Sie mir wenigstens den guten Willen ab bei dieser wichtigen Reform, über die wir noch lange diskutieren werden.“
Dass Apotheken mehr Verantwortung übernehmen könnten, dazu müsse man ihn nicht überzeugen. „Die Apotheker sind ausdrücklich vorgesehen, obwohl die Ärzte damit ein Problem hatten“, so Lauterbach mit Verweis auf das Gesunde-Herz-Gesetz. „Ich schätze die Apotheken als einen ganz zentralen Baustein unseres Gesundheitssystems ein.“
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