Kommentar

Lauterbach lässt die Fetzen fliegen

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Berlin -

Der Referentenentwurf zur Apothekenreform liegt vor. Neue Überraschungen hält er nicht bereit – und auch für die Art und Weise, wie er in die Öffentlichkeit kam, brauchte es keine Glaskugel. Offen bleibt jedoch, ob irgendjemand die Pläne noch kassieren wird. Und wie sich die Apothekenlandschaft eigentlich verändern wird, wenn das Gesetz so durchkommt. Ein Kommentar von Nadine Tröbitscher.

Sind Apotheken ohne Approbierte der Dolchstoß – oder schon längst Realität? Das ist eine der Fragen, die sich Apotheker ehrlich stellen und beantworten müssen. Dass erfahrene PTA autark arbeiten, ist in vielen Betrieben längst gang und gäbe, und zwar nicht nur, um Kosten zu sparen, sondern um die Versorgung überhaupt aufrechterhalten zu können. Zugegeben: Inhaber sind mehr als acht Stunden in der Apotheke, aber mit der geplanten Gesetzesänderung, könnte man argumentieren, macht Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) aus schwarzen Schafen wieder weiße Kittel.

Vertretungsregelung als Erleichterung

Auch wenn es genügend gute Gründe gibt, gegen die Änderung Sturm zu laufen, und wenn auch der Fachkräftemangel bei PTA weiterhin Thema ist: Eine sauber ausgearbeitete Vertretungsregelung könnte eine Erleichterung sein, Druck aus der Apotheke nehmen und ein Anreiz für PTA sein. Dazu braucht es Regeln und Verantwortungsbewusstsein, jeder muss seine Grenzen kennen und nachfragen, wenn man den Rat eines Approbierten braucht.

Vor allem auf dem Land fehlt es dem Standort Apotheke aber auch weiterhin an Attraktivität. Anreize fehlen – auch im Referentenentwurf. 550 Euro pro Notdienst werden wohl keinen Apotheker aus der Stadt locken. Und auch Zweigapotheken, die vier Stunden täglich – auch sonnabends – die Versorgung in strukturschwachen Gebieten sichern sollen, sind kein Must-have für angehende und gestandene Apotheker.

Ohnehin ist die Frage offen, ob 100 Zweigapotheken genügen, um die Versorgung der Bevölkerung in 4954 der insgesamt 8171 bewohnten PLZ-Bereiche sichern, die unter dem heutigen Durchschnitt von 22 Apotheken pro 100.000 Einwohnern liegen. Hinzukommt, dass es in 2138 bewohnten PLZ-Gebieten derzeit überhaupt keine Apotheke gibt.

Pro & Contra bei kürzeren Öffnungszeiten

Dass die Dienstbereitschaft verkürzt werden soll, könnte den Angestellten, aber auch den Inhabern in die Karten spielen. Schließlich arbeiten mehr als die Hälfte der Apothekenmitarbeiter in Teilzeit. Ein verlegener Applaus also für Lauterbach? Wird es von der einen oder anderen Seite geben, auch wenn die errechneten Gehaltseinsparungen in Höhe von 11,4 Millionen Euro – sofern die Hälfte der Apotheken die Möglichkeit der Verkürzung der Öffnungszeiten um 19,5 Stunden nutzt – nicht überzeugt.

Lange Gesichter gibt es wohl bei den Patient:innen, denn die müssen die verkürzten Öffnungszeiten hinnehmen. Für den Apotheker, der sich vielleicht etwas Personalkosten spart, kann dies einen Umsatzverlust bedeuten. Denn womöglich gehen die Kund:innen dann zum Mitbewergber – und bleiben am Ende dort. Werden sie vor Ort gar nicht mehr versorgt, wandern sie in den Versandhandel ab. Der Dank der Versender ist dem BMG für die Idee sicher.

Nicht leugnen lässt sich jedoch eine Erleichterung bei der Flexibilisierung der Filialleitung. Dass zwei Approbierte sich die Leistung teilen oder der Inhaber übernehmen kann, dürfte angesichts der angespannten Personalsituation und Wunsch der Angestellten nach Work-Life-Balance auf Zuspruch stoßen.

Außerdem gibt es ein paar weitere Brosamen. So dürfen Betäubungsmittel künftig im Automaten gelagert werden, eine Neuerung, auf die Apotheker gewartet haben.

Mehr Geld gibt es nicht

Lauterbach hält aber auch an einer Umverteilung beim Apothekenhonorar fest – ohne den wirtschaftlich angeschlagenen Apotheken den benötigten Rettungsring zu reichen. Denn mehr Geld steht den Apotheken nicht zur Verfügung. Der Erhöhung des Fixums steht eine Kürzung des prozentualen Vergütungsanteils entgegen. Das wird die Apotheke auf dem Land nicht retten, aber mit Sicherheit die Versorgung mit Hochpreisern verschlechtern.

Und auch die entstandenen Möglichkeiten für Apotheken, Kosten einzusparen sind keine Rettung – 20.000 Euro für ein IR-Spektrometer, weil Ausgangsstoffprüfungen im Verbund erfolgen dürfen, Einsparungen von rund 1260 Euro jährlich sowie einmalig ungefähr 6840 Euro für eine Zweigapotheke, für die weitaus mehr investiert werden muss, sind ein Schlag ins Gesicht.

In Summe wird klar, dass das BMG die falschen Prioritäten gesetzt hat. Zwar gibt es einige Erleichterungen, aber retten wird es die wirtschaftlich angeschlagenen Apotheken nicht – und auch das Apothekensterben wird nicht aufgehalten. Stattdessen wird der Marktumbruch eingeleitet. Lauterbach hatte eine große Reform angekündigt, die die Arzneimittelversorgung verbessern und sichern soll. Wann genau diese kommt, ist ungewiss.

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