Die Zustimmung der SPD-Bundestagsfraktion zum im Koalitionsvertrag vereinbarten Rx-Versandverbot ist kein Selbstläufer. Die SPD sei „frei, sich dazu zu verhalten“, sagte SPD-Fraktionsvize und Unterhändler bei den Koalitionsverhandlungen, Professor Dr. Karl Lauterbach. Er habe bislang noch nichts gesehen, dass eine Zustimmung rechtfertige.
Er habe sich „extrem intensiv“ mit dem Versandhandel von Arzneimitteln befasst, sagte Lauterbach. Das „Grundproblem“ aus seiner Sicht: Eine rechtssichere Regelung müsse „besonders unsinnig“ sein – nur ein vollständiges Verbot ohne Ausnahmen für bestimmte Arzneimittel und Patientengruppen sei rechtlich machbar. Lauterbach: „Das macht alles platt. Das ist eine medizinische Katastrophe.“
Der Rx-Versandhandel sei eine sinnvolle Ergänzung zu den Vor-Ort-Apotheken und schließe bereits heute vorhandene Versorgungslücken, die künftig „noch größer werden“.
Die Union habe das Rx-Versandverbot als Absichtserklärung „in letzter Minute“ im Koalitionsvertrag durchgesetzt. „Das war mir nicht recht“, so Lauterbach. Er selbst sei in der entscheidenden Sitzung nicht mehr anwesend gewesen. Das sei auf „höchster Ebene ohne meine Beteiligung“ entschieden worden. Das sei von der Union angekündigt worden. Er habe versucht, die SPD-Verhandler dagegen zu „immunisieren“. Das ist nicht gelungen.
Unter dem Strich wertete Lauterbach den Gesundheitsteil des Koalitionsvertrages jedoch positiv. Insbesondere bei der Pflege und im Krankenhausbereich sei viel erreicht worden: „Damit bin ich sehr zufrieden.“ Die Verbesserungen für die Patienten würden zum Ende der Legislaturperiode voraussichtlich zu höheren Beiträgen für die Pflege- und Krankenversicherung führen. Dies ist laut Lauterbach insbesondere auf die Mehrkosten für das Pflegepersonal zurückzuführen. Ein Abschätzung der Beitragssteigerungen sei derzeit nicht möglich.
Neben dem Rx-Versandverbot wertete Lauterbach das kategorischen Nein der Union zur Bürgerversicherung als Niederlage. Die beabsichtigte Angleichung der Arzthonorare für GKV- und Privatpatienten sei nicht durchsetzbar gewesen. Dafür habe man aber Verbesserung für die GKV-Patienten bei der Terminvergabe bei den Ärzten erreichen können. Außerdem werde den Kassenärztlichen Vereinigungen die Bedarfsplanung für die Niederlassung von Ärzten aus den Händen genommen.
Lauterbach geht davon aus, dass die private Krankenversicherung auf eine Krise zusteuert. Besser verdienende Angestellte wechselten so gut wie nicht mehr in die PKV. Diese werde daher mittelfristig zu einer reinen „Beamtenversicherung“. Ausufernde Kosten, Demografie und niedrige Zinsen seien von den Privatversicherern auf Dauer nicht zu stemmen, so Lauterbach. „Das wird irgendwann eine Frage für die Steuerzahler.“
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