Lauterbach: Expertenkommission für nächste Sparrunde Patrick Hollstein, 08.07.2022 15:36 Uhr
Nach den Eckpunkten und dem inoffiziellen Entwurf hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) soeben seinen Gesetzentwurf für das geplante GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinG) verschickt. Inhaltliche Änderungen gibt es nicht. Aber eine Ankündigung.
Mit einer „umfassenden Struktur- und Finanzreform“ wolle man das Defizit der Krankenkassen in Höhe von 17 Milliarden Euro im kommenden Jahr ausgleichen. Der Gesetzentwurf sei heute Ländern und Verbänden zur Anhörung zugeleitet worden.
„Gerade in Krisenzeiten geben die Sozialsysteme der Bevölkerung Sicherheit. Deshalb müssen alle Beteiligten einen Beitrag zu deren Stabilisierung leisten“, so Lauterbach. „Mit diesem Gesetzentwurf verbinden wir den Anspruch langfristiger Strukturreformen mit dem Ziel ausgeglichener Finanzen. Wir machen Vorgaben zur Preisbildung patentgeschützter Arzneien, korrigieren die Regeln für die Vergabe von Arztterminen und präzisieren die Bezahlung der Pflege in den Krankenhäusern. Dabei bleibt die Gesetzliche Krankenversicherung erstklassig. Trotz Milliardendefizit gibt es keine Abstriche in der Versorgung. Leistungskürzungen bleiben ausgeschlossen.“
Und dann die Ankündigung, dass es nicht das letzte Sparpaket bleiben wird: „Auch mittelfristig wird es darum gehen, Lösungen für die angespannte Finanzlage der Krankenkassen zu finden. Für die Ausarbeitung künftiger Finanzreformen werde ich deshalb eine Expertenkommission berufen“, kündigt Lauterbach an.
Ob es bereits eine Einigung mit Justiz- und Finanzministerium gibt, die das Vorhaben per Leitungsvorbehalt zunächst gestoppt hatten, ist derzeit nicht bekannt. Gestern hatte ein Sprecher auf Nachfrage erklärt, dass der Vorschlag momentan regierungsintern beraten werde. „Ich bitte um Verständnis, dass wir zu Detailfragen während der noch laufenden Ressortanhörung keine Stellung nehmen können. Eine Anhörung der Verbände steht noch aus.“
Inhaltlich gibt es keine Änderungen zum Entwurf, der Anfang der Woche auf inoffiziellem Weg bekannt wurde.
Apotheken
- Erhöhung des Kassenabschlags von 1,77 Euro auf 2 Euro/Packung (auf zwei Jahre befristet).
Pharmahersteller
- Solidarabgabe der Pharmaindustrie: Einmalzahlungen von jährlich 1 Milliarden Euro der forschenden Pharmafirmen an den Gesundheitsfonds (auf zwei Jahre befristet), bemessen nach dem Anteil des jeweiligen Unternehmens am Ausgabenvolumen der GKV für Patentarzneimittel im Vorjahr
- Preismoratorium bei Arzneimitteln wird bis Ende 2026 verlängert
- AMNOG I: Die Zeitspanne für die freie Preisbildung von patentgeschützten Arzneimitteln wird auf sechs Monate verkürzt
- AMNOG II: Für die Preisbildung von Arzneimitteln mit keinem oder geringem Zusatznutzen gibt es Vorgaben
- AMNOG III: Erhöht sich der Absatz eines patentgeschützten Arzneimittels (z.B. durch Ausweitung auf weitere Patientengruppen) erheblich, muss das bei Preisverhandlungen berücksichtigt werden
- AMNOG IV: Reduzierung der Umsatzschwelle für Arzneimittel, die zur Behandlung eines seltenen Leidens zugelassen worden sind, von 50 auf 20 Millionen Euro
- AMNOG V: Bei der Erstattungsverhandlung ist zukünftig ein Verwurf preismindernd zu berücksichtigen, wenn bei den jeweiligen Patientengruppen ein Verwurf von über 20 Prozent der in Verkehr gebrachten Packungsgröße zu erwarten ist.
- Abschlag auf Arzneimittel einer Kombinationstherapie: Wenn Arzneimittel in vom G-BA definierten Kombinationen eingesetzt werden, erhalten Krankenkassen vom Hersteller einen Abschlag in Höhe von 20 Prozent des Erstattungsbetrages.
Kliniken
- Bereinigung der Pflegebudgets: Künftig dürfen nur Pflegekräfte in den Pflegebudgets berücksichtigt werden.
Ärzte/Zahnärzte
- Neuordnung Terminservicestellen: Die extrabudgetäre Vergütung von Neupatienten für Vertragsärzte wird abgeschafft. Terminservicestellen bleiben für Patienten erhalten.
- Begrenzung des Honorarzuwachses für Zahnärzte: Die von den Krankenkassen an die KZVen gezahlten Gesamtvergütungen für Zahnbehandlung ohne Zahnersatz dürfen sich 2023 höchstens um die um 0,75 Prozentpunkte verminderte und 2024 höchstens um die um 1,5 Prozentpunkte verminderte Veränderungsrate verändern (ausgenommen Früherkennung und Individualprophylaxe).
Kassen
- Finanzreserven: Krankenkassen müssen überschüssige Finanzreserven an den Gesundheitsfonds abführen (90% ihrer Finanzreserven oberhalb von 0,3 Monatsausgaben und 65% oberhalb von 0,2 und unterhalb von 0,3 Monatsausgaben). Diese Mittel stehen für Zuweisungen an die Krankenkassen und damit für die Stabilisierung des Zusatzbeitragssatzes 2023 zur Verfügung).
- Liquiditätsreserve Gesundheitsfonds: Die Obergrenze des Gesundheitsfonds wird auf 0,25 Monatsausgaben halbiert. Überschreitende Mittel stehen für Zuweisungen an die Krankenkassen und damit für die Stabilisierung des Zusatzbeitragssatzes 2023 zur Verfügung.
- Bundeszuschuss: Der bestehende Bundeszuschuss wird von 14,5 Mrd. Euro für 2023 um 2 Mrd. Euro erhöht.
- Darlehen Bund: Der Bund gewährt der GKV ein unverzinsliches langfristiges Darlehen für 2023 von 1 Mrd. Euro an den Gesundheitsfonds.
- Begrenzung Verwaltungskosten: Die Verwaltungskosten der Krankenkassen werden begrenzt.
- Anhebung Zusatzbeitrag: Der Schätzerkreis wird im Herbst das verbleibende Defizit berechnen, das über höhere Zusatzbeiträge zu finanzieren ist. Das BMG wird auf dieser Basis den durchschnittlichen Zusatzbeitragssatz für das Jahr 2023 festsetzen.