Nachdem er im Frühjahr bereits Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bekommen hatte, war nun auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) bei ihm: Heute Vormittag empfing Inhaber Mike Beyer den Minister und Abda-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening in einer seiner beiden Apotheken in Teltow nahe Berlin. In dem Gespräch ging es vor allem um die Reformpläne Lauterbachs und die wirtschaftliche Situation der Apotheken. Unterhalten haben sich der Apotheker und Lauterbach; Overwiening war auf Wunsch des Inhabers beim Termin dabei.
„Ich habe dem Minister verdeutlicht, dass meine Patientinnen und Patienten keine gefährliche Strukturreform brauchen, sondern eine stabile Arzneimittelversorgung durch die Apotheke vor Ort“, so Beyer nach dem Besuch. „Auch das jüngste Skonto-Urteil des Bundesgerichtshofs stellt eine ganz akute, zusätzliche Gefahr für meinen Betrieb dar, auf die der Minister nicht angemessen reagiert.“
Es könne nicht sein, dass er auf Skonti angewiesen ist, um zu überleben. „Eigentlich müsste der Minister dafür sorgen, dass die Apotheken auch ohne Skonti wirtschaftlich betrieben werden können. In Zeiten von gravierenden Lieferengpässen sind Experimente ohne jegliche Datengrundlage, wie die von Herrn Lauterbach vorgelegte Reform, grob fahrlässig. Das sind Feldversuche zu Lasten unserer Patientinnen und Patienten.“
Zudem fragte Beyer nach den Hintergründen zur Reform: „Ich habe ihn nach einer Datengrundlage für seine Pläne gefragt und auch erläutert, dass diese Umverteilung so nicht funktioniert.“ Immerhin leben Schwerkranke nicht nur in der Stadt, sondern auch auf dem Land.
Insgesamt habe sich Lauterbach etwa 45 Minuten für das Gespräch Zeit genommen, zu dem Beyer ihn eingeladen hatte. Mit dabei waren auch Lauterbachs Pressevertreter sowie Overwiening, die der Inhaber sich als „Fakten-Backup“ zum Termin gewünscht habe. „99 Prozent der Zeit haben wir beide uns unterhalten“, so Beyer über das Gespräch mit Lauterbach. Overwiening habe sich wie abgesprochen zurückgehalten und dem Apotheker das Feld überlassen. „Somit konnte ich den Charakter des Gesprächs bestimmen“, berichtet der Inhaber.
Er wollte einerseits Lauterbach noch einmal eindrücklich seine Bedenken darlegen, andererseits aber auch dafür sorgen, dass die Themen der Apothekerschaft über die pharmazeutischen Kreise hinweg Gehör finden. So waren dann auch die Fernsehsender RTL und ntv dabei sowie die Deutsche Presse-Agentur (dpa) und die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ). Im Hintergrund lief das Tagesgeschäft seiner Apotheke weiter.
„Ich hoffe, dass ich etwas bewirken konnte. Ich wollte diese Themen aus unserer Welt hinausbewegen, damit das auch in nicht pharmazeutischen Medien Zweifel erweckt, dass diese Reformpläne nicht schlüssig sind“, erzählt Beyer. Lauterbach wolle immer wieder den Eindruck erwecken, sterbende Apotheken somit am Leben zu erhalten oder es Neugründungen einfacher machen zu wollen. „Aber auch existierende Apotheken werden Einschnitte erleben“, ist sich Beyer sicher.
Auch wenn das gemeinsame Gespräch ihm zuvor anderes hätte deutlich machen müssen, beteuere der Minister weiterhin, dass seine Pläne keine Leistungskürzung bedeuteten. „Das greift das komplette System an, es betrifft alle Apotheken“, hat Beyer auch im Gespräch mit Lauterbach betont, der dies in seinem anschließenden Presse-Statement aber wieder relativierte. „Der Patient weiß zukünftig nicht, wo er vollversorgende Apotheken findet“, so der Inhaber deutlich. Beispielsweise in der Palliativversorgung sei das hinsichtlich Betäubungsmitteln (BtM) gravierend.
Lauterbach habe zudem versucht zu argumentieren, dass er mit den Erleichterungen und Flexibilisierungen den Apotheken entgegenkäme, damit diese eine Chance gegen die Versender hätten. Nachdem Beyer ihm erklärte, dass das bezüglich BtM aber nicht zutreffe, hätten dem Minister die Argumente gefehlt.
Die dpa greift den Termin anschließend auf – und berücksichtigt die Bedenken der Apothekerschaft: „Patientinnen und Patienten in Deutschland sollen ihre Arzneimittel auch künftig möglichst in einer Apotheke in der Nähe bekommen – allerdings oft nicht mehr von voll ausgebildeten Apothekerinnen und Apothekern. Das ist das Ziel einer geplanten Reform von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. Der SPD-Politiker will sein Gesetz gegen Widerstände der Apothekerschaft am 17. Juli durch das Bundeskabinett bringen, wie er bei einem Besuch einer Apotheke im brandenburgischen Teltow ankündigte“, heißt es in der Agentur-Meldung.
Funktioniert habe die Überzeugungsarbeit des Apothekers nur bedingt. „Lauterbach betonte zwar, dass es für ihn trotz früherer Gespräche mit Apothekern interessant gewesen sei. In der Sache aber blieb er hart.“ Beyer und Overwiening hätten bei Lauterbachs Aussagen teils ihre Köpfe geschüttelt.
Lauterbach stellte die Reform als nötig dar. „Wir stehen vor einem großen Apothekensterben auf dem Land“, sagte Lauterbach der dpa. „Wir versuchen, durch Filialapotheken und Telepharmazie diese Versorgung zu erhalten.“ Auch künftig müssten die Apotheken durch Apotheker geleitet werden. „Aber es muss nicht zu jedem Zeitpunkt rund um die Uhr auch ein Apotheker in der Filiale sein.“ Lauterbach: „Sie haben entweder im ländlichen Raum gar keine Apotheke und den Versandhandel oder Sie haben dort eine Tochterapotheke, wo an ein oder zwei Tagen dann der Apotheker vor Ort ist.“ Schließlich müsse er etwas für die Menschen tun – „und nicht nur für die Honorare derjenigen, die jetzt schon Apotheker sind“.
Der Minister zeigte sich zuversichtlich, dass er bei der notorisch zerstrittenen Ampel-Koalition die Reform durchbringt. „Wir werden mit der Reform am 17. Juli, also an dem Tag, an dem im Kabinett auch der Haushalt beschlossen wird, im Kabinett sein.“ Die vorab laufenden Abstimmungen innerhalb der Regierung liefen ausgezeichnet.
Im März schaute Scholz in Beyers Sonnen Apotheke an einem Samstagnachmittag vorbei. Zustande gekommen war der Termin auf Bestreben des Apothekers. Er wohnt im ebenfalls nahe Berlin gelegenen Stahnsdorf und damit in Scholz’ Wahlkreis. Bei einer Veranstaltung nutzte Beyer seine Chance und lud ihn in seine Apotheke ein, statt eine Frage zu stellen. Bei dem Termin ging es vor allem um das E-Rezept und die anhaltenden Lieferengpässe, aber auch um das Apothekenhonorar.
Anschließend habe Beyer mehrfach das Büro von Lauterbach kontaktiert und ebenfalls um einen Termin gebeten. Von Scholz habe es wohl auch eine persönliche Empfehlung gegeben, dass der Gesundheitsminister mal in Teltow vorbeischauen sollte. Vergangene Woche kam dann die Zusage zum Termin von Lauterbach.
Auch Overwiening habe die Gelegenheit genutzt, erneut über die Gefahren der geplanten Reform aufzuklären. „Wir stimmen mit dem Minister weiterhin nicht überein! Ich habe Herrn Lauterbach erneut vor den Auswirkungen seiner Reformideen auf die Versorgung gewarnt“, so die Abda-Präsidentin. Unverzichtbare Strukturen würden irreparabel zerstört; Apotheken ohne Approbierte sowie geringere Ausstattungen und Öffnungszeiten seien „ein großer verbraucherpolitischer Schaden, der Leistungskürzungen und Qualitätseinbußen bei den Patientinnen und Patienten nach sich zieht“.
Auch zehntausende Arbeitsplätze von Apotheker:innen seien gefährdet. „Wir warnen eindringlich vor einer gravierenden Verschlechterung beim Patientenschutz und in der Arzneimitteltherapiesicherheit. Leistungen wie die Abgabe von Betäubungsmitteln, Medikationsanalysen, Rezepturen oder Impfungen dürfen nur von Apothekerinnen und Apothekern erbracht werden.“ Lauterbach müsse sich des Signals bewusst sein, das er sendet, wenn nach Reformumsetzung Approbierten gekündigt werde.
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