Die Unionsparteien haben sich immer noch nicht geeinigt, wer ihr Kanzlerkandidat werden soll. CDU-Chef Armin Laschet konnte sich in der Nacht zu Dienstag im CDU-Bundevorstand durchsetzen: 31 Vorstandsmitglieder sprachen sich für ihn aus, neun für CSU-Chef Markus Söder. Die Frage ist nun: Was bedeutet das? Das ist nach wie vor unklar, die Möglichkeit einer Kampfabstimmung in der gemeinsamen Bundestagsfraktion am Dienstagnachmittag steht durch aus im Raum.
Das Rennen um die Kanzlerkandidatur der Union bleibt ein politischer Krimi – und wird fünf Monate vor der Wahl ein immer größeres Debakel für die Union. Vom frühen Abend bis spät in die Nacht haben die Unionsgranden am Montag getagt. Denn sowohl Laschet als auch Söder halten an ihrem Kandidatenwunsch fest. Nachdem die selbstgesetzte Frist zur Einigung bis Ende vergangener Woche gerissen wurde, wollte Laschet übereinstimmenden Medienberichten zufolge am Montagabend eine Entscheidung forcieren – und Söder hatte angekündigt, ein Votum des CDU-Bundesvorstands zu akzeptieren.
Die Lage war da so unübersichtlich wie zuvor und wie seitdem: Offiziell steht die Mehrheit der CDU hinter Laschet, doch die Stimmen, die sich für seinen Kontrahenten aussprechen, wurden in den vergangenen Tagen immer zahlreicher. Die Sitzung des Bundesvorstands sollte deshalb ein Befreiungsschlag für ihn werden: Entsprechend soll er gleich zu Beginn auf eine Abstimmung gedrängt haben – vergeblich. Immerhin sollen sich seine Unterstützer eindeutig positioniert und fürm ihn geworben haben, darunter Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, sein Vorgänger Hermann Gröhe, Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble oder aber Laschets Vorgängerin Annegret Kramp-Karrenbauer.
Widerstand gab es von Wirtschaftsminister Peter Altmaier, aber auch vom Berliner Landeschef Kai Wegner. Und dann sind da noch die Ostverbände: Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff betonte, es gebe im Osten eine klare Präferenz für Söder. Doch von einer abgestimmten Haltung der ostdeutschen Verbände könne keine Rede sein, wendete Brandenburgs Fraktionschef Jan Redmann ein. Aus Sachsen und Thüringen wurde das wiederum zurückgewiesen, auch dort sei die Stimmung klar für Söder. Es stellt sich heraus: Laschets Machtbasis ist und bleibt der Landesverband NRW – nur einer von 18, aber dafür mit der mit Abstand größten Mitgliederzahl.
Es zeigt sich: Laschet hat nach wie vor die Mehrheit in den CDU-Gremien hinter sich, doch die Widerstände wachsen täglich, die Zeit spielt für Söder. Und die Frage nach der Einbeziehung der Basis – wie auch immer man die definieren mag – kriegt Laschet ebenfalls nicht vom Tisch. Laschet stellte dazu seinen früher am Tag angekündigten Lösungsvorschlag vor: eine Kreisvorsitzendenkonferenz. Doch die solle erst einberufen werden, nachdem der Bundesvorstand bereits eine Entscheidung gefällt hat. Welchen Sinn hat eine solche Konferenz, wenn sie nichts zu entscheiden hat? Diese Frage wird nicht nicht beantwortet.
Stattdessen wird tief in der Nacht schließlich abgestimmt. Doch darüber entspinnt sich eine Geschäftsordnungsdebatte. Es wird deutlich, wie wenig die ganze Aktion vorab geplant und vorbereitet wurde. Schließlich wird abgestimmt und Laschet erhält seine Mehrheit von 77,5 Prozent. Medienberichten zufolge sollen schon kurz nach der Tagung einige Teilnehmer Zweifel angemeldet haben: Offenbar kam die Runde nicht satzungsgemäß zusammen – und war damit eigentlich nicht beschlussfähig.
Abschließend geregelt ist so oder so trotzdem nichts. Die CSU bleibt bis Dienstagvormittag auffällig still. Söder hatte zwar verkündet, das Votum des CDU-Bundesvorstands respektieren zu wollen. Doch hatte er auch zuvor schon davon gesprochen, die Entscheidung „der CDU“ zu akzeptieren – und dann das Votum des CDU-Präsidiums übergangen. Der Härtefall gilt als realistisch: Heute Nachmittag tagt die CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Dort könnte es zu einer Kampfabstimmung kommen, in der Söder realistische Chancen auf einen Sieg eingeräumt werden. Vielleicht hält er aber auch diesmal sein Wort. Für 12 Uhr hat er ein Pressestatement angekündigt.
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