Sondierungspapier Thüringen

Landarztquote nicht auf Apotheken übertragbar

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Berlin -

Das Sondierungspapier von CDU, BSW und SPD sieht vor, dass in Thüringen eine medizinische Versorgung innerhalb von 20 Minuten sichergestellt sein soll. Dazu werden Ärzte und Fachkräfte im Gesundheitsbereich benötigt. Von Apotheken ist im Sondierungspapier für das „20-Minuten-Land“ an dieser Stelle keine Rede. Allerdings soll eine Landapothekerquote eingeführt und die Studienplatzkapazitäten in Jena ausgeweitet werden. Danny Neidel, Geschäftsführer der Landesapothekerkammer Thüringen (LAKT) bezieht Stellung.

Dass die flächendeckende Versorgung – vor allem im ländlichen Raum – in Gefahr ist, zeigt das Apothekensterben. Die Zahl der Neueröffnungen ist rückläufig und Nachwuchs sowie Nachfolger werden händeringend gesucht. Betroffen sind neben Apotheken auch Arztpraxen. Landarztquoten sollen dem Versorgungsengpass entgegenwirken. Das Konzept soll in Thüringen auch auf Apotheken übertragen werden.

Für Neidel war es erwartbar, dass angesichts des Fachkräftemangels in den Apotheken, die Politik ein Modell analog zu den Ärzten vorschlagen wird. Daher wurden bereits die Kriterien im ärztlichen Bereich und deren Übertragbarkeit auf den Apothekensektor in der Vergangenheit analysiert.

Erfolg der Landarztquote nicht belegt

Bislang gebe es keine Belege, Erfahrungen oder Studien, ob diese Quote wirklich erfolgreich ist. Der Grund: Bis Medizinstudierende so weit sind, dass sie sich niederlassen können, vergehen meist zehn Jahre. Erstmals wurden im Wintersemester 2019/2020 in Nordrhein-Westfalen 7,6 Prozent aller Medizinstudienplätze vorab an Studierende vergeben, die sich dazu verpflichteten, nach ihrer Facharztausbildung für zehn Jahre in einer unterversorgten Region als Hausarzt oder Hausärztin zu arbeiten.

Kriterien nicht auf Apotheken übertragbar

Außerdem lassen sich die Kriterien zur Feststellung einer „unterversorgten Region“ nicht ohne Weiteres auf den Apothekensektor übertragen, so Neidel. Derzeit werde die Feststellung in Bezug auf die Unterversorgung anhand bundesweit geltender Kriterien getroffen, die auf die konkrete Region angewandt werden. Entscheidend sei dabei die Anzahl der in der Region lebenden Menschen sowie Anzahl und Alter der in der jeweiligen Region tätigen Hausärzt:innen. Diese Kriterien stammen aus der Bedarfsplanung im ärztlichen Sektor.

„Auf den Apothekensektor übertragen, wären also Krankenkassen und Apothekerverbände gefordert, entsprechende Kriterien festzulegen“, so Neidel und fügt hinzu, dass eine Bedarfsplanung im Apothekenwesen vor dem Hintergrund der höchstrichterlich bestätigten Niederlassungsfreiheit nicht möglich ist.

Käme der Parameter der Apothekendichte zur Anwendung, zeige das Beispiel der vermeintlich „überversorgten“ Stadt Eisenach mit knapp 3000 Einwohnern pro Apotheke und des vermeintlich „unterversorgten“ Wartburgkreises direkt angrenzend mit rund 5100 Einwohnern pro Apotheke, wo das eigentliche Problem liegt. „Die Bürgerinnen und Bürger finden in Eisenach die notwendige Infrastruktur – Arbeit, Arzt, Einkaufen – und verbinden dies mit dem Besuch in der Apotheke. Die Eisenacher Apotheken versorgen somit einen Teil des Wartburgkreises mit.“ Ein gleiches Bild zeige sich in Weimar und dem Weimarer-Land. „Nicht die Tätigkeit als Apothekerin oder Apotheker auf dem Land ist unattraktiv“, macht Neidel deutlich. „Es sind vielmehr die strukturellen Rahmenbedingungen, die von einer Apothekenübernahme abschrecken. Diese Situation kann keine Quote und auch keine Förderung ändern, hier ist die Politik gefordert.“

Apotheker vor allem in großen Städten nachgefragt

Neidel: „Der Gedanke einer ‚Landapotheker-Quote‘ wird möglicherweise mit dem in der Politik geäußerten Argument, dass ‚entlang der Autobahn A4 genug Apothekerinnen und Apotheker verfügbar und diese in Thüringen nur falsch verteilt sind‘, gestützt.“ Die Ergebnisse der regelmäßigen Analyse des Stellenmarktes der Landesapothekerkammer widersprechen allerdings dieser Aussage. Denn Fachkräfte würden vor allem in den großen Städte Jena, Weimar, Erfurt und Gera gesucht. „Wenn in dieser Situation eine Lenkung der Apothekerinnen und Apotheker über eine Quote gefordert wird, werden die Arbeitgebenden aus den Städten ggf. rechtlich überprüfen lassen, warum weniger Approbierte beispielsweise für die dortige wichtige Krankenhaus- und/oder Zytostatika-Versorgung zur Verfügung stehen sollen.“

Es sei erforderlich, dass die maßgeblichen Organisationen, vermutlich Verbände, Ministerium und Krankenkassen, eine Arbeitsdefinition und Kriterien für eine Unterversorgung in der Arzneimittelversorgung finden, die den Kriterien der Niederlassungsfreiheit nicht widerspreche – „was schlicht unmöglich scheint.“

Wirtschaftliche Lage entscheidend

Neidel gibt zudem zu bedenken, dass die wirtschaftliche Lage der Apotheke nicht außer Acht gelassen werden darf. Zudem stellt sich die Frage, ob bei einer Verpflichtung eines „Landapothekers“ zehn Jahre lang eine Apotheke in einer definierten pharmazeutisch unterversorgten Region zu betreiben, ein Bestandsschutz besteht und die Apotheke mit öffentlichen Geldern subventioniert wird oder der Inhaber eine Strafe zahlen muss, wenn die Apotheke aus betriebswirtschaftlich Gründen geschlossen wird oder Mitarbeitende entlassen werden müssen.

„In jedem Fall ist das Instrument der ‚Landarzt-Quote‘ nicht einfach auf das Apothekenwesen übertragbar“, fasst Neidel zusammen. Die LAKT werde eine Diskussion darüber konstruktiv begleiten. Neidel verweist zudem auf die Petition, mit der die Thüringer ein Zeichen an den Landtag gesendet haben. Landtag und Landesregierung werden aufgefordert, die Modernisierung des Instituts für Pharmazie mit viel Energie voranzutreiben und die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die Universität Jena den personellen Rahmen für eine Erweiterung der Kapazitäten bewältigen kann.

Hälfte der Apothekenleitenden älter als 50 Jahre

„Viele Apotheken in Thüringen stehen auf der Kippe, weil Apothekerinnen und Apotheker fehlen, die sie weiterführen können“, so der LAKT-Geschäftsführer. Gut die Hälfte der Apothekenleitenden ist älter als 50 Jahre und wird in den nächsten 15 Jahren aus dem Berufsleben ausscheiden. „Um sie und die Pharmazieingenieurinnen und -ingenieure zu ersetzen, brauchen wir gut ausgebildete Pharmazeutinnen und Pharmazeuten, die am besten hier bei uns in Thüringen studiert haben und eine Beziehung zu Thüringen aufgebaut, hier eine Heimat gefunden haben.“

Ausbau des Studienstandortes Jena

Die LAKT fordere seit Langem den Neu- und Ausbau des Instituts für Pharmazie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Seit 2011 wird regelmäßig mit dem bundesweit einmaligen Tag der Pharmazie für den Studiengang und die Institutserweiterung geworben. Im Ergebnis gibt es mehr als dreimal so viele Bewerbungen wie Studienplätze im Bereich der Pharmazie.

Förderung von Landapotheken

In Thüringen geht man bereits einen eigenen Weg um die Versorgung im ländlichen Raum zu sichern – die Förderung von Landapotheken.

Die Förderung kann sowohl für eine Neugründung als auch für eine Übernahme beantragt werden. Als ländlicher Raum im Sinne der Richtlinien gelten bezüglich Apotheken Gemeinden mit weniger als 25.000 Einwohner:innen. Förderfähig ist die Aufnahme des Apothekenbetriebes, wenn die ordnungsgemäße Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln nicht hinreichend sichergestellt ist.

Das Land Thüringen sieht den Bedarf insbesondere in Fällen, wo

  • in einem Umkreis von sechs Fahrtkilometern um den in Frage kommenden Standort keine weitere Apotheke existiert
  • das Einwohnerverhältnis in der Gemeinde bei nicht weniger als 3500 Einwohner:innen pro Apotheke liegt und
  • mindestens eine Allgemeinarztpraxis oder hausärztlich tätige Facharztpraxis, auch als Zweig- oder Filialpraxis, in der Gemeinde vorhanden ist.

Nach Erhalt der Betriebserlaubnis muss die Aufnahme des Apothekenbetriebs durch eine:n Apotheker:in aus einer Thüringer Gemeinde erfolgen. Bei einer Nachfolgeregelung darf es sich nicht um Verwandte ersten Grades bezüglich des vormaligen Inhabers handeln.

Maßnahmen zur Schaffung von Barrierefreiheit können zusätzlich bezuschusst werden. Zuwendungsfähige Ausgaben sind notwendige Ausgaben für Investitionen in Form von:

  • Sachausgaben im Rahmen der Renovierung oder des Umbaus der Apothekenbetriebsräume
  • der Anschaffung von Ausstattung der Apothekenbetriebsräume
  • der Anschaffung von Büro- und Geschäftsausstattung einschließlich apothekenspezifischer Hard- und Software zur Erfüllung nach Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO).

Insgesamt stehen in diesem Jahr Fördermittel von 1,4 Millionen Euro zur Verfügung.

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