Der Bundesrat hat der Brandenburger Initiative zur Abschaffung der Importquote bei Arzneimitteln zugestimmt. „Die Sicherheit hat oberste Priorität. Die heutige Entscheidung ist eine gute Nachricht für alle Patientinnen und Patienten. Der internationale Handel mit zum Teil äußerst sensiblen Arzneimitteln stellt ein hohes Risiko für die Patientensicherheit dar. Jetzt ist die Bundesregierung am Zug, schnell einen Gesetzentwurf auf den Tisch zu legen“, sagte Brandenburgs Gesundheitsministerin Susanna Karawanskij (Die Linke).
Mit der erfolgreichen Bundesratsinitiative wird die Bundesregierung aufgefordert, zeitnah einen Gesetzentwurf vorzulegen, mit dem die Importförderklausel für Arzneimittel im Sozialgesetzbuch (SGB V) gestrichen wird. Brandenburg hatte den Entschließungsantrag im November in den Bundesrat eingebracht. Der Freistaat Bayern ist dieser Bundesratsinitiative heute noch beigetreten.
Mit der heutigen Entschließung stellt der Bundesrat fest: Bevor im Jahr 2011 das Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes (AMNOG) in Kraft trat, war die Importförderklausel das einzige Instrument zur Preisregulierung patentgeschützter Arzneimittel. Mit Einführung des Verfahrens der Nutzenbewertung und Preisbildung von neuen Arzneimitteln habe diese allerdings deutlich an Bedeutung verloren und stelle eine nicht mehr erforderliche bürokratische Doppelregulierung mit vergleichsweise nur noch geringem Einsparpotential dar.
Mittlerweile würden mit den sogenannten Rabattverträgen zwischen Krankenkassen und Apothekern wesentlich wirksamere Möglichkeiten für Kosteneinsparungen existieren, so die brandenburgische Ministerin. Nach Berechnungen des Deutschen Arzneiprüfungsinstituts (DAPI) lagen die im Jahr 2017 durch Reimporte erzielten Einsparungen bei lediglich 120 Millionen Euro, über Rabattvereinbarungen seien hingegen rund vier Milliarden Euro eingespart worden.
Ausgelöst worden ist die Diskussion über die Importquote durch den Lunapharm-Fall in Brandenburg. Der Firma wird vorgeworfen, in Griechenland gestohlene Arzneimittel in Deutschland weitervertrieben zu haben. Lunapharm wurde vorerst die Herstellerlaubnis und Großhandelslizenz entzogen. Das Unternehmen bestreitet die Vorwürfe.
Als Folge der Lunapharm-Ereignisse hatte auch der DAV die Abschaffung der Importquote gefordert: „Die Importquote ist ein mittlerweile überholtes Kostendämpfungsinstrument, das in Zeiten der Arzneimittel-Rabattverträge kaum noch Einsparungen erzielt“, so DAV-Chef Fritz Becker. „Die Erfüllung der Importquote verursacht nicht nur erheblichen bürokratischen Aufwand in der Apotheke, sondern gefährdet vor allem die Arzneimittelsicherheit für die Patienten.“
Chargenrückrufe seien keine Einzelfälle, so Becker. „Lange und grenzüberschreitende Lieferketten erhöhen das Risiko für das Einschleusen von gestohlenen und gefälschten Medikamenten. Jeder Apotheker braucht den Spielraum, um sich bei Sicherheitsbedenken im Einzelfall gegen ein Importmedikament entscheiden zu können.“ Die AOK Baden-Württemberg und die Kassenärztlichen Vereinigung (KV) forderten ebenfalls die Abschaffung der Importquote.
Der Verband der Arzneimittelimporteure Deutschlands (VAD) rechtfertigte andererseits die Importquote: Nicht gelten lassen will vor allem Jörg Geller vom Importeur Kohlpharma die Hinweise der Importquotengegner auf den Lunapharm-Skandal in Brandenburg. Dort habe Presseberichten zufolge ein „Kleinstunternehmen“ systematisch Arzneimittel mit zweifelhafter Provenienz in den Markt gebracht. „Das ist vollständig inakzeptabel, sicherlich aber kein Beleg dafür, dass der Arzneimittelimport generell ein Einfallstor für gefälschte oder gestohlene Ware ist.“ Vielmehr handele es sich im vorliegenden Fall ganz deutlich um das Versagen einer Landesbehörde, die scheinbar personell unterbesetzt und inkompetent gewesen sei. Brandenburgs Ex-Gesundheitsministerin Diana Golze (Die Linke) hatte nach Bekanntwerden der Vorwürfe ihr Amt aufgeben müssen.
Auch stelle das europäische Preisgefälle oder die vertraglich zwischen dem DAV und dem GKV-Spitzenverband vereinbarte Importquote von gerade einmal 5 Prozent keinen Anreiz dar, Ware zu fälschen oder zu stehlen. Tatsächlich fänden Diebstähle von Ware in allen Ländern Europas statt. Es sei noch nicht allzu lange her, dass ein Logistikzentrum in Deutschland beraubt und Arzneimittel sehr vieler Hersteller – auch von Importeuren – erbeutet worden seien. Der Anreiz, gerade hochpreisige Ware zu stehlen, liege in ihrem Preis und diese Präparate könnten nur in den Markt gebracht werden, „wenn es kriminelle oder in höchstem Maße leichtsinnige Großhändler oder Apotheken gibt, die diese Ware abnehmen“.
Das Geschäftsmodell der seriösen Importeure basiere auf der langjährigen Kenntnis der Lieferanten, sehr häufig auch in Deutschland tätiger multinationaler Großhändler – Gehe, Alliance Health oder Phoenix – die regelmäßig auditiert würden. Geller: „Deshalb kann ich für unser Haus sagen, dass wir in den 40 Jahren unserer Markttätigkeit und bei circa 7 Millionen jährlich vertriebener Packungen nie ein Problem mit gestohlener oder gefälschter Ware hatten.“
Die Importquote wird Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) mit seinem Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) aber nicht abschaffen – jedoch deutlich strenger fassen. „Die 15-Euro-Preisabstandsgrenze bei der Regelung zum Import von Arzneimitteln fällt weg“, heißt es in einem Papier des Bundesgesundheitsministeriums (BMG). Maßgeblich ist demnach künftig ein Preisabstand von 15 Prozent.
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