Länder wollen Großhandelshonorar prüfen APOTHEKE ADHOC, 09.09.2019 10:11 Uhr
Seit acht Jahren kämpft der Arzneimittelgroßhandel mit den Folgen des AMNOG-Spargesetzes. 2011 wurde den Großhändler die Marge um 200 Millionen Euro gekürzt. Als einzige Gruppe in der Kette der Arzneimittelversorgung hat der Großhandel seitdem keine Honorarerhöhung erhalten. Alle Appelle des Phagro prallten bei der Politik ab. Jetzt nimmt sich der Bundesrat der Sache an: In Zusammenhang mit der Beratung des Apothekenstärkungsgesetzes und der dazu gehörenden Verordnungen fordern die Gesundheitsminister der Länder die Bundesregierung auf, das Großhandelshonorar auf den Prüfstand zu stellen.
„Der Bundesrat bittet, das nach § 78 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Arzneimittelgesetz (AMG) zuständige Bundesministerium zu prüfen, ob die Vergütung des vollversorgenden pharmazeutischen Großhandels noch ausreichend ist, um dauerhaft die bedarfsgerechte und kontinuierliche Belieferung der deutschen Apotheken gewährleisten zu können“, heißt es in der Beschlussempfehlung des Gesundheitsausschusses der Länder für die Bundesratssitzung am 20. September. Zuständig für die Arzneimittelpreisverordnung ist das Bundeswirtschaftsministerium, dass die AMPreisV „im Einvernehmen“ mit dem Bundesgesundheitsministerium regelt.
Durch die Änderung des Großhandelszuschlags mit dem Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) des Jahres 2011 sollten die GKV-Arzneimittelausgaben jährlich um rund 200 Millionen Euro entlastet werden, heißt es in der Begründung der Beschlussempfehlung. Die Kosten im pharmazeutischen Großhandel seien seither gestiegen. Davon sei auch in Zukunft auszugehen. „Grund dafür sind unter anderem erhöhte Anforderungen an den Betrieb durch die EU-Leitlinien zur guten Vertriebspraxis und die EU-Fälschungsschutzrichtlinie, die stetige Zunahme von handlungsintensiven Arzneimitteln (beispielsweise Kühlartikel oder Betäubungsmittel), hochpreisigen Arzneimitteln sowie der Anzahl der Rabattverträge“, so die Empfehlung.
Während die Vergütung der Apotheken mit den Gesetzes- und Verordnungsänderungen zur Sicherung der Vor-Ort Apotheken erhöht werden sollten, würden die Einsparungen durch das AMNOG bei den Großhandlungen nicht kompensiert. Die Gesundheitsminister der Länder bitten daher das BMWi zu prüfen, „ob die Großhandelsvergütung an die steigenden Kosten anzupassen ist, um den öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrag, die bedarfsgerechte flächendeckende Versorgung der Apotheken mit Arzneimitteln, auch weiterhin sicherstellen zu können“.
Mit dem AMNOG eingeführt wurde für den Großhandel ein neues Honorarmodell: Seit 2012 erhalten die Grossisten einen prozentualen Zuschlag von 3,15 Prozent auf den Herstellerabgabepreis, der bei 37,80 Euro pro Packung gedeckelt ist. Als Fixhonorar gibt es dazu 70 Cent pro Packung.
Nicht eingegangen ist der Gesundheitsausschuss des Bundesrates aber auf ein anderes dringendes Anliegen des Phagro: Der Großhandelsverband fürchtet, dass mit dem Apothekenstärkungsgesetz (VOASG) die Preisbindung auf Großhandelsebene fällt. Nicht nur Versandapotheken könnten dann aus dem Ausland günstiger liefern, sondern auch Großhändler, die sich auf lukrative Präparate spezialisieren. In der Branche droht man bereits mit Abwanderung. Mit dem VOASG soll § 78 Absatz 1 Satz 4 Arzneimittelgesetz (AMG) gestrichen werden. Dort heißt es bislang: „Die Arzneimittelpreisverordnung [...] gilt auch für Arzneimittel, die [...] in den Geltungsbereich dieses Gesetzes verbracht werden.“ Obwohl konkret nur der Versand an Endverbraucher angesprochen ist, sieht man beim Phagro die „juristische Fernwirkung“: Warum sollte die Preisbindung auf der Großhandelsebene Bestand haben, wenn sie bei den Apotheken gestrichen wird?
Verbandschef Dr. Thomas Trümper fürchtet massive Verwerfungen: „Damit werden ungleiche Wettbewerbsbedingungen geschaffen und die in Deutschland ansässigen pharmazeutischen Großhändler diskriminiert“, sagte er gegenüber dem Handelsblatt. Die geplante Preisbindung via Sozialgesetzbuch (SGB V) betrifft Hersteller und Großhändler laut Trümper ohnehin nicht. Mit der Streichung des Passus fiele daher die Gleichpreisigkeit auf der Großhandelsebene. Ausländische Wettbewerber könnten daher insbesondere bei lukrativen Arzneimitteln mit Niedrigpreisen deutsche Apotheken als Kunden gewinnen. Das ginge zulasten des deutschen Großhandels, der weiterhin an die Arzneimittelpreisverordnung gebunden sei.