Länder planen unterschiedlich Alexander Müller, 16.08.2007 18:53 Uhr
Verendete Wildvögel, Sperrgebiete , Pandemieängste: In den vergangenen Wochen tauchten immer wieder Meldungen über neue Fälle von Vogelgrippe in Deutschland auf. Doch nach der Panik im vergangenen Jahr haben die Bundesländer reagiert und sich - wenn auch in unterschiedlichem Umfang - mit antiviralen Arzneimitteln bevorratet. Diese könnten im Falle einer Pandemie zumindest Zeit verschaffen, bis Wissenschaftler eine spezielle auf das veränderte Virus zugeschnittene Therapie entwickelt haben. Da nämlich mit einer Pandemie erst dann zu rechnen ist, wenn H5N1 infolge einer Mutation von Mensch zu Mensch übertragbar wird, steht auch die Wirksamkeit der bisher verfügbaren Medikamente noch in Frage. APOTHEKE ADHOC hat bei den zuständigen Landesbehörden den Status Quo abgefragt.
Unter den Bundesländern ist Nordrhein-Westfalen (NRW) ein Musterschüler in puncto Vorsorge. Der Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) folgend, können im Pandemiefall dort 30 Prozent der Bevölkerung mit antiviralen Arzneimitteln versorgt werden. Das Land verfügt über die Fertigprodukte Tamiflu und Relenza sowie das Wirkstoffpulver Oseltamivir, das im Bedarfsfall in den Apotheken weiterverarbeitet werden soll. Andere Länder haben aus Kostengründen nur die Wirkstoffe, jedoch keine Fertigarzneimittel auf Lager. Auch die Versorgungsquote variiert in den Bundesländern, viele orientieren sich an der Empfehlung des Robert-Koch-Instituts (RKI) von 20 Prozent.
Doch was geschieht mit den Arzneimitteln oder dem Wirkstoff, wenn sie nicht benötigt werden? Die Stoffe sind unterschiedlich lange haltbar, und die Bevorratung kostet die Länder viel Geld: NRW hat für 67 Millionen Euro eingekauft, erklärte eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums auf Anfrage. Einige Länder wie beispielsweise Baden-Württemberg und NRW haben eigenen Angaben zufolge Verträge mit den Herstellern Roche und GlaxoSmithKline über den Ersatz oder die Rücknahme der Arzneimittel getroffen, in Thüringen soll in fünf Jahren überprüft werden, ob der Wirkstoff noch einsetzbar ist und die Haltbarkeit entsprechend verlängert werden kann.
Letztlich sei die Bevorratung eine politische Entscheidung, hieß es aus dem thüringischen Gesundheitsministerium. Maßgeblich seien bei der Entscheidung die Empfehlungen von WHO und RKI sowie die Fortschreibung des so genannten Nationalen Pandemieplans, den die Länder gemeinsam erarbeiten. Zurzeit hat Baden-Württemberg den Vorsitz in der Gesundheitsministerkonferenz der Länder. In Stuttgart geht man inzwischen davon aus, „dass Erkrankte im Pandemiefall eine Therapie mit antiviralen Arzneimitteln erhalten können“. Als Grund gab das baden-württembergische Ministerium für Arbeit und Soziales gegenüber APOTHEKE ADHOC an, die Hersteller hätten ihre Produktionskapazitäten so erweitert, dass genügend Arzneimittel schnell verfügbar seien.
Allerdings hat Roche einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) zufolge die Produktion von Tamiflu wegen der geringen Nachfrage drastisch zurückgefahren. Könnte also ein neuer Verteilungskampf entstehen, wenn es wieder zu einer verschärften Bedrohungslage kommt? Bei einer entsprechenden Empfehlung der WHO könne die Produktion sofort wieder hochgefahren werden, so Roche gegenüber der FAZ.