Länder gegen Notfallapotheken Patrick Hollstein, 18.09.2024 08:31 Uhr
Die Gesundheitsexpertinnen und -experten der Länder sehen die im Rahmen der Notfallreform geplanten Änderungen bei der Arzneimittelversorgung kritisch. Weder die Gründung von Notfallapotheken an den Integrierten Notfallzentren (INZ) noch die Selbstdispensation bei fehlenden Verträgen werden unterstützt. Zur Abstimmung stehen verschiedene Anträge, die aber allesamt die Schwächung der Notdienstapotheken durch parallele Strukturen ablehnen.
Für die geplante Einführung der „notdienstpraxisversorgenden Apotheke“ gemäß § 12b Apothekengesetz (ApoG) bestehe keine Notwendigkeit – daher solle die Neuregelung in § 5 Apothekengesetz (ApoG) komplett gestrichen werden. „Die vollumfassende Arzneimittelversorgung ist durch das bestehende Netz an öffentlichen Apotheken – auch außerhalb der regulären Öffnungszeiten durch die nacht- und notdiensthabenden Apotheken – rund um die Uhr sichergesellt. Die bisherige wohnortnahe Organisation des Apotheken-Nacht- und Notdienstes hat sich bewährt und soll erhalten bleiben.“
So obliege der Auftrag, die Bevölkerung mit Arzneimitteln insbesondere auch im Nacht- und Notdienst zu versorgen, bundesrechtlich den Apotheken. Mit dem bereits bestehenden Netz sei im vorgegebenen Rahmen eine Erreichbarkeit innerhalb von 30 Fahrzeitminuten überall gegeben.
Die Installation „nicht benötigter Parallelstrukturen“ werde keine Verbesserung der Patientenversorgung bewirken, sondern das Patientenaufkommen in den nächstgelegenen nacht- und notdiensthabenden Apotheken deutlich verringern und Nacht- und Notdienste dort möglicherweise unrentabel werden lassen: Nur der „unrentable“ Nachtdienst nach 22 Uhr bliebe bei den jeweils eingeteilten Apotheken.
Nur Versorgung light
Hinzu komme, dass die Möglichkeit einer „zweiten Offizin“ zu reinen Arzneimittelabgabestellen ohne vollständige Versorgung führe. So seien weder Labor noch Rezepturherstellung oder überhaupt nur ein vollständiges Arzneimittelangebot vorgesehen. Daher sei die Versorgung von Nacht- und Notdienstpatienten nicht vollumfänglich zu leisten. Zudem sei nicht explizit geregelt, ob in der „zweiten Offizin“ während der gesamten Öffnungszeiten ein Apotheker oder eine Apothekerin körperlich anwesend sein müsse.
Die vorgesehen Selbstdispensation für den Fall, dass kein Vertrag besteht und im unmittelbaren Anschluss an die Behandlung ein Wochenende oder ein Feiertag folgt, ermöglicht laut Ausschuss ebenfalls nur eine unzureichende Versorgung, da eine Abgabe von Arzneimitteln nur unter den engen Voraussetzungen des § 13 Absatz 1a Betäubungsmittelgesetz (BtMG) erfolgen könne; darüber hinaus sei die Abgabe von Betäubungsmitteln durch den Arzt der Notdienstpraxis an Patientinnen und Patienten rechtlich nicht zulässig.
Keine Selbstdispensation
Für den Fall, dass dieser Antrag nicht durchkommt, gibt es mehrere Hilfsanträge. In einer Version wird gefordert, wenigstens die Selbstdispensation gemäß § 7 ApoG zu streichen. Durch die Abgabe von Arzneimitteln in der Notdienstpraxis werde „eine möglicherweise erforderliche Beratung zu den Arzneimitteln durch fachkompetentes pharmazeutisches Personal nicht ausreichend sichergestellt, da eine Abgabe von Arzneimitteln durch fachkompetentes pharmazeutisches Personal mit den Regelungen im Notfallgesetz nicht sichergestellt wird“.
Darüber hinaus sei die Schaffung von entsprechenden Lagervorräten und -räumlichkeiten – inklusive Kühlmöglichkeit für kühlpflichtige Arzneimittel – in der Notdienstpraxis für einen nicht näher definierten Übergangszeitraum nicht wirtschaftlich zu betreiben: „Da grundsätzlich von einer Behandlung jedweder Erkrankung in den Notdienstpraxen ausgegangen werden muss, würde dies die Notwendigkeit ergeben, dass praktisch das gesamte Sortiment einer Apotheke mit mehreren tausend Arzneimitteln und unterschiedlichen Darreichungsformen in der Notdienstpraxis vorrätig zu halten ist – mithin quasi eine Apotheke ohne pharmazeutisches Personal betrieben wird. Dies bedeutet eine erhebliche Investition in das Warenlager und die notwendige technische Ausstattung (insbesondere Kühlgelegenheiten für Arzneimittel), was angesichts des etablierten und funktionierenden Notdienstsystems der öffentlichen Apotheken nicht wirtschaftlich ist.“
Da umgekehrt eine Verpflichtung zum Abschluss von Versorgungsverträgen bestehe, sei der Betrieb einer eigenen Arzneimittelabgabestelle mit einer hohen wirtschaftlichen Unsicherheit verbunden: Denn wenn sich eine Apotheke zum Abschluss eines Versorgungsvertrages bereit erkläre, müsste die im Notdienstzentrum eigens aufgebaute Arzneimittelversorgung kurzfristig aufgelöst werden.
Maximal eine Notfalloffizin
In einem anderen Antrag wird eine Pflicht für Apotheken vorgeschlagen, entsprechende Verträge zu schließen, allerdings soll maximal der Betrieb einer zweiten Offizin erlaubt werden, die außerdem innerhalb desselben Kreises oder derselben kreisfreien Stadt oder in einander benachbarten Kreisen oder kreisfreien Städten liegen muss.
Wieder ein anderer Antrag sieht vor, dass in der Notfalloffizin immer eine Apothekerin oder ein Apotheker sein muss, dies ist laut Entwurf bisher nicht vorgesehen. In den Räumlichkeiten der zweiten Offizin mit Lagerräumen dürften keine Herstellungstätigkeiten durchgeführt werden dürfen, heißt es in einem weiteren Hilfsantrag. Und ein weiterer Vorschlag spricht sich für eine weitgehende Flexibilisierung der Dienstbereitschaft ohne starre Zeitvorgaben aus; dies sei notwendig, um „die Dienstbereitschaftszeiten der Apotheken bestmöglich auf die Öffnungszeiten der mit Notdienstzentren in vertraglicher Verbindung stehenden Apotheken, die die Versorgung zu den Öffnungszeiten der Notdienstpraxis wahrnehmen, bestmöglich aufeinander abzustimmen“.
Vergütung für Teildienste
Und ein anderer Vorschlag zielt darauf ab, eine Vergütung für Teilnotdienste einzuführen. „Die Nichtberücksichtigung von Teildiensten in der Regel bis 22 Uhr führt dazu, dass die für die Regelung des Notdienstes zuständigen Behörden zum Teil ausschließlich Volldienste planen, um die Apotheken – vor dem Hintergrund der sehr angespannten wirtschaftlichen Lage der Apotheken – nicht mit unentgeltlich zu leistenden Teildiensten zu belasten, obwohl dies zumindest teilweise für die Sicherstellung der Arzneimittelversorgung ausreichend wäre. Hierdurch werden die Apothekerinnen und Apotheker in unnötiger Art und Weise trotz der flächendeckend prekären Personalsituation mit Diensten belastet.“
Die Notfallreform könnte in der kommenden Woche im Plenum beraten werden; zustimmungspflichtig ist das Gesetz nicht.