KV ruft zum Boykott – Apotheker:innen sind entsetzt Carolin Ciulli, 05.07.2022 15:02 Uhr
Boykottieren und Anschwärzen: Der Aufruf der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Hessen an die Praxen, wegen der neuen pharmazeutischen Dienstleistungen (pDL) gegen Apotheken vorzugehen, ist extrem. Viele Apotheker:innen sind entsetzt über das Mitgliederschreiben und reagieren.
Der Konstanzer Apotheker Murat Baskur verfasste als Reaktion auf das öffentlich zugängliche Mitgliederschreiben umgehend einen Brief an die KV. „Ich finde es sehr schade und unangebracht, in welchem Ton Sie andere Berufe des Gesundheitswesens angreifen und der ganzen Apothekerschaft Inkompetenz unterstellen“, antwortete der Inhaber der Seeapotheke an den KV-Vorsitzenden Frank Dastych. „Jeder Beruf hat seine speziellen Fähigkeiten und Kompetenzen. Ärzte wie Apotheker.“
Mit der Drohung den Apotheken gegenüber – die KV fordert ihre Mitglieder etwa auf, den Bezug von Sprechstundenbedarf zu hinterfragen oder Rezeptterminals in Praxen aufzustellen – gehe es „offensichtlich nicht um die Patienten und deren Wohl, sie treten vielmehr eine Neiddebatte los“, so der Apotheker. Die Drohungen seien „unangemessen“ und „verboten“. Er betont, dass man nicht gegen Ärzt:innen, sondern mit ihnen zusammenarbeiten wolle. Zudem seien auch Rezeptterminals in Praxen nicht erlaubt. Baskur bietet dem KV-Vorstand ein persönliches Gespräch an.
Dramatische Misere
Ein anderer Apotheker bezeichnet das Schreiben als „reine Frechheit“. „Uns wird unterstellt, dass wir nur Medikamente in eine Datenbank eingeben und das ausdrucken. Genauso wird aufgerufen, das Zuweisungsverbot zu umgehen“, kritisiert ein Inhaber. Eine Apothekerin ist nicht verwundert über den Tonfall der Kassenärzte: „Die Misere ist grundlegend und dramatisch“, sagt sie.
Keine Streitereien vor Ort
Ein Inhaber aus Hessen erklärt, dass im Apothekenalltag die aufgeheizte Stimmung nicht spürbar sei. Allerdings gehe „die Saat des Bundesgesundheitsministeriums“ auf, das die Leistungserbringer „gegeneinander ausspielen“ wolle. „Die Abda machts mit“, kritisiert er.
In einer anderen Apotheke fragt man sich, wozu in Kliniken wie in Niedersachsen immer mehr Stationsapotheker eingesetzt werden? „Weil die inkompetent sind und Ärzte unfehlbar? Ich würde auch gern mal wissen, was die KV sich unter einer pharmazeutischen Beratung vorstellt, die angeblich nur Ärzte geben können – ohne Pharmazie studiert zu haben.“