Kündigung: Ärztegewerkschaft streitet mit Helios Patrick Hollstein, 13.07.2023 14:37 Uhr
Einem aktiven Mitglied des Marburger Bundes (MB) wurde Anfang Juni vom Klinikkonzern Helios außerordentlich gekündigt – aus fragwürdigen Gründen, wie die Ärztegewerkschaft findet. Während vor dem Arbeitsgericht Hamburg beim Gütetermin keine Einigung erzielt werden könnte, erhöht der MB den Druck und macht die Sache öffentlich.
„Die Art und Weise der erhobenen Anschuldigungen und der zeitliche Zusammenhang zu den Tarifverhandlungen jetzt und vor zwei Jahren legt den Verdacht nahe, dass die betroffene Ärztin in unerträglicher Art und Weise unter Druck gesetzt, ihr gewerkschaftliches Engagement behindert und ein Exempel statuiert werden soll“, sagt Dr. Pedram Emami, 1. Vorsitzender des MB Hamburg. Die Gewerkschaft übernimmt daher auch die Prozessvertretung: „Gegen diese Ungerechtigkeit, die unserem Mitglied widerfahren ist, wehren wir uns. Wenn wir dies geräuschlos hinnehmen, befürchten wir, dass dies auch anderen engagierten Ärztinnen und Ärzten bei Helios ebenso widerfahren kann.“
Die Ärztin, Franziska Schlosser, ist seit 2012 in der Verhandlungskommission und war laut MB im Juni 2021 sowie im März 2023 als Streikleiterin an ihrer Klinik maßgeblich an der Mobilisierung der Ärzteschaft beteiligt. In diesem Frühjahr trat sie bei einer Auftaktkundgebung vor mehreren Tausend streikenden Ärztinnen und Ärzten auf und war unter anderem Protagonistin einer NDR-Reportage zum Warnstreik. „Ich mache mich seit Jahren für die Interessen der Ärztinnen und Ärzte im Betrieb stark und habe auch immer mein Bestes für die Patientinnen und Patienten gegeben“, sagt Schlosser. „Und das ist nun wohl der Dank dafür.“
Helios wirft der Ärztin, die seit mehr als 23 Jahren in einer ihrer Hamburger Kliniken tätig ist, einen Arbeitszeitbetrug von 28 Minuten vor. Katharina von der Heyde, Geschäftsführerin des MB Hamburg, sagt dazu: „Wir haben in der eingereichten Kündigungsschutzklage viele Gründe – auch formale Gründe – für die Unwirksamkeit der Kündigung vorgetragen. Das Wichtigste aber ist, dass der behauptete Arbeitszeitbetrug, mit dem Helios die Kündigung begründet, nach meiner Ansicht völlig haltlos ist.“
Der MB hält die aktuelle Entwicklung auch in tarifpolitischer Hinsicht für einen beispiellosen Vorgang. „Helios richtet hier nicht nur großen Schaden für die betroffene Ärztin an, sondern beabsichtigt nach unserem Eindruck offenbar, damit einen Präzedenzfall für den Umgang mit gewerkschaftlich engagierten Ärztinnen und Ärzten insgesamt zu schaffen“, betont Emami. Zudem riskiere Helios durch die zunächst unterbrochenen Tarifverhandlungen, den tariflichen Anschluss zu verlieren. Im November wird vor Gericht weiter verhandelt.