Dr. Roy Kühne (CDU) hat Wort gehalten: Der Bundestagsabgeordnete setzt sich im Retax-Verfahren für die Apotheker ein. In einem offenen Brief an den Schiedsstellenvorsitzenden Dr. Rainer Hess macht er Vorschläge zur Abschaffung von Formfehlern und fordert eine Retax-Friedenspflicht bis zur endgültigen Klärung. Apotheker Wolfram Schmidt aus Northeim hatte Kühne um Hilfe gebeten.
Schmidt hatte gegenüber Kühne seinen Unmut über das Retax-Verhalten der Krankenkassen kundgetan. Der Apotheker hat das Gefühl, dass sich einige Kassen inzwischen „einen Sport daraus machen“, Formfehler auf den Rezepten zu finden, um nicht bezahlen zu müssen. Da Kühne nicht nur der Abgeordnete seines Wahlkreises ist, sondern auch für die CDU im Gesundheitsausschuss des Bundestags sitzt, schrieb Schmidt einen offenen Brief.
Kühne reagierte prompt: Er werde sich an Hess wenden, um das Schiedsverfahren wenn möglich zu beschleunigen, kündigte er an. In diesem befinden sich der GKV-Spitzenverband und der Deutsche Apothekerverband (DAV), nachdem die gesetzlich verordneten bilateralen Gespräche zum Thema Nullretaxation gescheitert waren. Bislang haben aber auch die Gespräche vor der Schiedsstelle zu keinem Ergebnis geführt.
Jetzt hat der CDU-Politiker seine Ankündigung wahr gemacht: Nach Gesprächen mit Apothekern und Fachexperten habe er einige Vorschläge für eine neue Regelung, schrieb er an Hess. „Grundlage müssen klar definierte und rechtssichere Regelungen für beide Seiten sein. Anzustreben ist daher eine Differenzierung zwischen Form- und Fachfehlern“, so Kühne. Er lädt Hess außerdem zu einem direkten Gespräch ein.
Zu klären sei, ob das das Verursacherprinzip Anwendung finde und welche Leistung die Apotheke tatsächlich erbracht habe. Entscheidend ist für Kühne daher auch, wem jeweils ein Vorteil oder Nachteil entstehen könne: dem Patient, der Krankenkasse oder der Apotheke. „Ziel einer Nulltaxierung ist die 'Bestrafung' bei Falschhandlungen. Wenn aber kein wirtschaftlicher Schaden oder menschlicher Schaden entstanden ist, muss über die Verfahrensweise nachgedacht werden“, findet Kühne.
Die Krankenkassen sollten Kühne zufolge keine Nullretaxierung durchführen, wenn es sich dabei um „heilbare“ geringfügige Formfehler handelt. Diese seien oft die Folge von handschriftlichen – am Wochenende im Notdienst – ausgestellten Rezepten. Kühne kennt die typischen Fehler: fehlende Telefonnummer, nicht ausgeschriebener Vorname, geringfügige Textabweichungen. Aber auch ein fehlendes Kreuz auf dem T-Rezept zählt er zu den heilbaren Formfehlern. „Alle diese Angaben können im Nachhinein korrigiert werden – gegebenenfalls mit Bestätigung des verschreibenden Arztes.“
Mehr Kulanz wünscht sich Kühne auch bei den Rabattverträgen: Bei pharmazeutischen Bedenken oder in dringenden Fällen müsste aus seiner Sicht die Angabe der Sonder-PZN ausreichen. Auch ohne nochmaligen handschriftlichen Vermerk dürfe keine Nullretaxierung erfolgen, findet Kühne. „Die Sonderkennzeichnung ist hier entscheidend.“
Aber auch ohne Sonder-PZN sollte Kühne zufolge keine Nullretaxierung stattfinden, wenn die Rabattverträge ohne Angabe von Gründen nicht beachtet worden seien. Die Kassen sollten eine Teilerstattung durchführen, wenn man in diesen Fällen von einer „Nachlässigkeit“ der Apotheke ausgehen könne. Solange dies nicht häufig geschieht, sollte im Sinne der Unschuldsvermutung statt des Apothekenverkaufspreises immerhin der gelistete Einkaufspreis zuzüglich Mehrwertsteuer erstattet werden.
Kühne begründet seinen Vorschlag gegenüber Hess: „Die Apotheke hat eine Leistung erbracht, die beim Patienten zum Erfolg geführt hat und die Krankenkasse hat einen gesunden Kunden.“ Der Apotheker werde dahingehend sanktioniert, dass der Arbeitsaufwand nicht erstattet werde, dieser aber nicht die Medikamentenkosten als wirtschaftlichen Nachteil in Kauf nehmen müsse.
Schließlich schlägt der CDU-Politiker eine Art Friedenspflicht vor: „Bis zu einem anerkannten Schiedsspruch beziehungsweise entsprechender Regelung gegebenenfalls durch den Gesetzgeber, sollten Retaxationen aus den genannten Gründen ausgesetzt werden.“
Vorerst will Kühne seine Vorschläge an Hess aber nur als Anregung zu verstanden wissen. Denn er halte überzogene Retaxierung für nicht förderlich und auch nicht für konstruktiv. „Apotheker leisten einen wertvollen Beitrag für die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung. Bei allem Kostendruck auf Seiten der Krankenkassen, sollte dennoch im Verhältnis zwischen Kostenträgern und Leistungserbringern auf ein respektvolles Miteinander geachtet werden.“ Kühne hatte sich schon bei Physiotherapeuten für eine Abschaffung von Nullretaxationen aufgrund von Formfehlern stark gemacht.
Schmidt freut sich sehr über Kühnes Einsatz für die Apotheker: „Ich empfinde es als große Anerkennung für unseren Berufsstand, wenn ein ranghoher Gesundheitspolitiker sich dieses Themas so umfänglich und offensichtlich von der Notwendigkeit überzeugt annimmt.“ Kühne ist auch der Einladung Schmidts gefolgt und hat am Sonntag mit ihm zusammen den Notdienst in seiner Mühlen-Apotheke in Northeim verbracht.
Schmidt sieht nach wie vor dringenden Handlungsbedarf. Denn bei keinem anderen Berufsstand würden „so unverblümt zweifelsfrei erbrachte Leistungen nicht vergütet“. Er kritisiert in diesem Zusammenhang auch die Standesvertretung, die die entsprechenden Verträge unterschrieben habe. Jede Steuererklärung dürfe man im Nachhinein ändern, jede Rechnung könne korrigiert werden, nur bei den Apothekern solle dies nicht möglich sein.
Dazu passe auch, dass er weder von der Apothekerkammer noch vom LAV Niedersachsen eine Reaktion auf seinen offenen Brief an Kühne erhalten habe. Schmidt sieht bei beiden Organisationen noch erheblich Luft, ihren Berufsstand entsprechend ihrer selbst erklärten Ziele voran zu bringen. Andererseits vermag er die aufkommende Politikverdrossenheit einiger Kollegen nicht nachzuvollziehen. „Hier wird von Herrn Dr. Kühne gerade bewiesen, wie es anders laufen kann“, so Schmidt.
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