Bundestagsdebatte

Krokodilstränen und Klientelpolitik

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Millionen gesetzlich Krankenversicherte müssen womöglich bald Zusatzbeiträge bezahlen. Als erste Kasse kündigte die Deutsche BKK den Schritt an, andere Kassen werden folgen. Für Gesundheitsminister Dr. Philipp Rösler (FDP) belegen die Extraprämien die Notwendigkeit einer Gesundheitspauschale. Denn anders als bei den Zusatzbeiträgen soll es dabei einen Ausgleich für Ärmere aus Steuermitteln geben, sagte er am Donnerstag im Bundestag. SPD, Linke und Grüne nahmen den Minister unter Beschuss. Aus Sicht der Opposition ist die Kopfpauschale unsolidarisch und die FDP-Gesundheitspolitik Klientelpolitik zugunsten der Privatkassen.

Krisenbedingte Ausfälle der Krankenkassen würden dieses Jahr mit zusätzlich 3,9 Milliarden Euro abgefedert, versicherte Rösler. Dennoch seien die Kassen in einer schwierigen Lage. Sie stehen nach offizieller Schätzung vor einem Defizit von rund 4 Milliarden Euro. „Das zeigt, dass es nicht reicht, nur Geld in das System hereinzugeben, sondern wir müssen das System insgesamt verbessern“, so der Minister. Die Krankenversicherung solle für jeden bezahlbar bleiben. Vom Einkommen unabhängige Beiträge seien nötig - aber nie ohne Ausgleich für Schwächere.

SPD-Fraktionsvize Elke Ferner hielt Rösler im Bundestag entgegen, bei den geplanten Pauschalen müssten Arme genauso viel zahlen wie Reiche: „Es bedeutet eine Umverteilung von unten nach oben.“ Kathrin Vogler von den Linken sagte: „Damit treiben sie die Spaltung der Gesellschaft voran.“

Die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen, Birgitt Bender, hielt Rösler vor, die Zusatzprämien als Vorläufer der geplanten Pauschalen billigend in Kauf zu nehmen: „Die Krokodilstränen über Zusatzbeiträge glaubt Ihnen niemand.“

Rösler versicherte, die Reformen zielten auf Verbesserungen für die 70 Millionen gesetzlich Versicherten ab. „Gerade in der heutigen Zeit müssen wir auch auf die Ausgaben achtgeben.“ Für niemanden könne es einen Freibrief geben. „Bloße Kostendämpfungsgesetze halten wir für den falschen Weg“, schränkte Rösler ein. Nötig seien mündige Patienten mit transparenten Wahlmöglichkeiten. Ärzte-Forderungen nach Vorranglisten für bestimmte Behandlungen - einer Priorisierung - erteilte Rösler eine Absage: „Wir lehnen solche Diskussionen ab.“ Dies entspricht der Position seiner Vorgängerin Ulla Schmidt (SPD).

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