Kritik am GVSG: Ärzte vs. Kassen Laura Schulz, 06.05.2024 13:14 Uhr
Heute findet im Bundesministerium für Gesundheit (BMG) die Anhörung der Verbände zum Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG) statt. Im Vorfeld dazu äußern sich verschiedene Akteure kritisch zum vorliegenden Referentenentwurf. Vor allem der Disput zwischen Krankenkassen und Ärzt:innen wird deutlich.
Jens Martin Hoyer, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes übt scharfe Kritik. „Mit der Streichung der ursprünglich vorgesehenen Primärversorgungszentren und weiterer inhaltlicher Versorgungselemente, wie der Gesundheitsregionen und Gesundheitskioske, ist das Gesetz größtenteils substanzlos geworden“, so Hoyer. Der Anspruch, die Gesundheitsversorgung in der Kommune zu stärken, sei so nicht mehr erkennbar. „Nun geht es fast nur noch und vor allem um mehr Geld für Ärzte. Nach heutigem Stand könnte das Gesetz auch als ‚Gutes Vergütungssteigerungsgesetz‘ in den Deutschen Bundestag eingebracht werden“, meint der AOK-Vertreter.
Die AOK-Gemeinschaft habe hingegen eigene „Vorschläge für eine regionale, sektorenunabhängige Versorgung vorgelegt, die diese Leerstelle füllen können“. Akteure vor Ort sollen demzufolge neue Freiräume für innovative Versorgungsideen bekommen und regionale Herausforderungen, im Rahmen von Gesundheitsregionen, gemeinsam angehen können. Stattdessen habe „die monatelange Kampagne der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte Wirkung“ gezeigt. „Die Entbudgetierung der Hausärzte wird die Beitragszahlenden 300 Millionen pro Jahr zusätzlich kosten, ohne dass klar ist, wie dies die Versorgung der Patientinnen und Patienten auf dem Land gezielt verbessern soll“, so der AOK-Bundesverband.
Wichtigstes Gesetz für Hausärzt:innen seit Langem
Die Bundesvorsitzenden des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes, Prof. Dr. Nicola Buhlinger-Göpfarth und Dr. Markus Beier, sehen dies naturgemäß anders: „Das Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz ist das wichtigste Gesetz für die Hausärztinnen- und Hausärzte seit vielen Jahren. Der Erfolg dieses Gesetzes wird maßgeblich darüber entscheiden, ob es in zehn Jahren noch eine gute hausärztliche Versorgung in Deutschland gibt oder nicht.“
Die im Entwurf vorgesehene Stärkung der Verträge zur hausarztzentrierten Versorgung (HZV), die die AOK gern aufgrund mangelnden Mehrwertes freiwillig halten würde, sieht der Hausärzteverband als „zwingend notwendig“. „ Die HZV trägt unter anderem nachgewiesenermaßen dazu bei, die Zahl der Krankenhauseinweisungen zu reduzieren und die Notaufnahmen zu entlasten. Wer also überlastete Krankenhäuser beklagt und sich gleichzeitig einer Stärkung der HZV entgegenstellt, der macht sich schlichtweg unglaubwürdig“, so der Verband.
„Diese Reformen müssen jetzt kommen. Es gibt keine Zeit mehr zu verlieren. Um es klar zu sagen: Wer sich gegen diese notwendigen Reformen stellt, der stellt sich gegen die Hausärzteschaft.“ Nichtsdestotrotz brauche es dringende Anpassungen, „damit das, was der Gesetzgeber umsetzen möchte, auch tatsächlich in den Praxen ankommt“. Das betreffe die Ausgestaltung der Chroniker-Pauschale, die Kriterien der Vorhaltepauschale sowie die Details der Umsetzung der Entbudgetierung.
Kassen: Keine Verbesserung, außer für die Ärzt:innen
Ulrike Elsner, Vorstandsvorsitzende des Verbandes der Ersatzkassen (vdek) meint hingegen, ähnlich wie die AOK: „Das Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz hält bei Weitem nicht, was es verspricht.“ Die ambulante Versorgung wird nicht strukturell besser aufgestellt, stattdessen stehe „eine Reform der hausärztlichen Vergütung mit vollständiger Entbudgetierung und der Bonifizierung der hausarztzentrierten Versorgung“ im Raum. Eine spürbare Verbesserung gebe es damit nicht, die Versorgung würde aber teurer werden. „Summa summarum rechnen wir mit Mehrausgaben von mindestens 500 Millionen Euro.“
„Statt einer Entbudgetierung, durch die geschätzt 300 Millionen Euro per Gießkanne verteilt würden, braucht es zielgenaue Instrumente, um die Versorgung nach Bedarf zu steuern“, so Elsner. Auch die Bonuszahlungen von 30 Euro pro Patient:in für die Teilnahme an der HZV sei ein Irrweg. Positiv sei hingegen, dass auf weitere kostentreibende Angebote ohne nennenswerten Mehrwert, wie etwa Gesundheitskioske, verzichtet wurde. Ebenso befürwortet der vdek die Finanzierung weiterer Medizinstudienplätze zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zurückzunehmen.
„Geld mit der Gießkanne“
Auch beim BKK-Dachverband sieht Vorstandsvorsitzender Franz Knieps keine Verbesserung durch das GVSG: „Der Referentenentwurf zum GVSG enttäuscht auf ganzer Linie. Vielversprechende Ansätze für eine bessere Versorgung aus früheren Entwürfen wurden gestrichen. Geblieben sind die Entbudgetierung der Hausärzte, die Vorhaltepauschale für selbstverständliche hausärztliche Leistungen und die Einführung einer Bagatellgrenze für Wirtschaftlichkeitsprüfungen.“ Statt einer besseren Versorgung gebe es „Geld mit der Gießkanne“.
Kioske müssen wieder rein
Die AOK Rheinland/Hamburg, die zusammen mit der Gesundheit für Billstedt/Horn UG und Mobil Krankenkasse die Hamburger Gesundheitskioske betreibt, kämpft hingegen für ihr Versorgungsmodell, das wieder in das GVSG aufgenommen werden müsse. „Die Zukunft der Versorgung ist regional und bedarf einer intelligenten Verknüpfung bestehender Angebote vor Ort. Gesundheitskioske leisten hierzu einen wichtigen Beitrag und sind – anders als häufig in der politischen Diskussion vorgetragen – finanzierbar“, so Matthias Mohrmann, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der AOK Rheinland/Hamburg. Die enge Kooperation der multilingualen Pflegefachkräfte mit Praxen, Krankenhäusern und sozialen Einrichtungen habe die Versorgung in den Kiosk-Gebieten in fünf Städten bereits verbessert.
Der Virchowbund, der ebenfalls Initiator und Gesellschafter des Ursprungsmodells Gesundheitskiosk Billstedt-Horn ist, befürwortet diese „Präventions- und Versorgungsidee“. Er weist darauf hin, dass die Implementierung dieser Kioske sich derzeit bundesweit für etwa 40 bis 50 Standorte anbiete. Dort könnten sie „ein Beitrag zur Verbesserung der Versorgung und der Stärkung von Prävention in sozial prekären Stadtteilen sein“. Andere Punkte des GVSG, wie die Entbudgetierung, begrüßt der Virchowbund hingegen.
Zahnärzt:innen fehlt MVZ-Regelung
Das GVSG sei „vielleicht die letzte Chance für die Ampelkoalition, das Ruder noch einmal in Richtung einer präventionsorientierten und hochwertigen Patientenversorgung herumzureißen. Der bisherige Gesetzentwurf geht jedoch an den wesentlichen Problemen im zahnärztlichen Versorgungsbereich völlig vorbei“, heißt es vom Vorsitzenden des Vorstandes der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV), Martin Hendges. Den Zahnärzt:innen fehle zudem auch die angekündigte Regulierung von versorgungsfremden Investoren-MVZ.
Welche dieser Positionen nach der heutigen Anhörung noch Berücksichtigung finden, wird sich demnächst zeigen.