Krebsmedikamente

Hersteller: Fortschritt hat seinen Preis

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Berlin -

Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) wehrt sich gegen die Anwürfe von Professor Dr. Karl Lauterbach. Der SPD-Gesundheitspolitiker hatte den Herstellern vorgeworfen, sich mit neuen Krebsmedikamente zu bereichern. Der BPI weist dies zurück: Die Industrie trage bei der Entwicklung innovativer Wirkstoffe das wirtschaftliche Risiko. Zudem könnten neue Arzneimittel das System auch finanziell entlasten.

„Die Konzerne missbrauchen ihre Marktmacht“, schreibt Lauterbach in einem im „Spiegel“ veröffentlichten Essay. Die Kernkompetenz der Krebsindustrie sei nicht die Forschung, sondern Kapital und ihre Kontakte. Weil nur wenige Hersteller eine schnelle Zulassung erreichten, könnten sie die Preise diktierten und so mit oft zweifelhaften Präparaten hohe Gewinne erzielen. Die Industrie verhindere so Erfolge bei der Krebsforschung.

„Das Gegenteil ist richtig und offensichtlich“, kontert Dr. Norbert Gerbsch, stellvertretender BPI-Hauptgeschäftsführer. „Gerade die Pharmaindustrie macht es möglich, dass man viele Krebsarten heute viel besser behandeln kann. Dank der Behandlungserfolge ist die Krebssterblichkeit bei immer mehr Krebsarten rückläufig.“ Nach Angaben des Deutschen Krebsforschungszentrums lebten Krebspatienten heute nahezu sechsmal länger als noch vor 40 Jahren.

Dass man Krebs in vielen Fällen noch nicht heilen könne, sei kein Geheimnis, so Gerbsch. Aber das liege nicht am mangelnden Einsatz der Pharmaforschung. Die stetige Verlängerung der Überlebenszeit sei aber ein wichtiges Ergebnis auf dem Weg, die Heilung von Krebs zu erreichen. „Eine ähnliche Entwicklung hat man schon im Kampf gegen HIV/Aids gesehen, bei dem bei frühzeitigem Behandlungsbeginn heute eine nahezu normale Lebenserwartung erreicht werden kann“, so Gerbsch.

Lauterbach zufolge können lediglich fünf bis zehn internationale Konzerne neue Krebsmedikamente auf den Markt bringen. Der Rest könne beim Tempo in den Zulassungsverfahren einfach nicht mehr mithalten. „Ihnen fehlen Geld und Einfluss auf die Wissenschaftler und Behörden“, so Lauterbach. Studien würden unter enormem Zeitdruck gemacht, der deutsche Mittelstand sei dabei vollkommen abgeschlagen.

Der BPI will auch das nicht als Vorwurf stehen lassen: „In der Tat liegt es im Interesse der Patienten und der Pharmaindustrie, den betroffenen Patienten Innovationen so schnell wie möglich zur Verfügung zu stellen, jedoch nicht ohne sie vorher wie gesetzlich vorgeschrieben ausreichend in klinischen Studien geprüft zu haben“, so der Verband.

Der SPD-Politiker hatte der Industrie zudem vorgeworfen, kaum in die Grundlagenforschung zu investieren. Die Hersteller veränderten die bekannten Wirkstoffe dann nur leicht und ließen sie für neue Indikationen zu.

Dazu der BPI: „Das gute Ineinandergreifen beider Schritte ist von entscheidender Bedeutung“, betont Gerbsch. „Häufig liefert die Grundlagenforschung neue Ansatzpunkte zur Behandlung, aber erst die Pharmaindustrie macht daraus einsatzfähige Medikamente und trägt dabei den weitaus größten Teil der Kosten.“

Gegen den Vorwurf Lauterbachs, die innovativen Krebsmedikamente seien überteuert und überlasteten das Gesundheitssystem, wehrt sich Gerbsch ebenfalls: „Fortschritt hat aufgrund der hohen Forschungsaufwendungen und der wirtschaftlichen Entwicklungsrisiken natürlich seinen Preis, kann aber auch an anderer Stelle Kosten einsparen, wenn zum Beispiel die bisher eingesetzten Arzneimittel oder zusätzliche Behandlungen etwa wegen Nebenwirkungen wegfallen.“ Die Pharmaindustrie sichere überdies nicht nur den Fortschritt, sondern auch die Versorgung mit bewährten Arzneimitteln gegen Krebs.

Eines hat Lauterbach schon erreicht: Mit seinem Spiegel-Beitrag und der unvermeidlichen Reaktion der Hersteller hat er nach eher unauffälligen Monaten als SPD-Fraktionsvize höhere Aufmerksamkeit. Und das wohl nicht ohne Zweck: Morgen Mittag stellt der Gesundheitsökonom in Berlin sein neues Buch vor. Titel: „Die Krebsindustrie“. Das Werk kommt Ende der Woche in den Handel.

Kritik muss Lauterbach auch vom Verband Forschender Arzneimittelhersteller (VfA) einstecken. „In der Krebstherapie stehen wir mitten in einer Therapierevolution! Ihre Chancen sollten wir nutzen und sie nicht abwürgen, bevor sie richtig beginnt“, so Hauptgeschäftsführerin Birgit Fischer.

Es gebe aktuell keine Kostenexplosion bei Krebsmedikamenten. Der gestiegener medizinischer Nutzen für Patienten sei eine „medizinische Revolution“. Insbesondere durch die Entschlüsselung des menschlichen Genoms habe es bei der Bekämpfung vieler Krebsarten große Fortschritte gegeben, so Fischer.

Bei der Behandlung verschiedener Krebsarten gibt es Fischer zufolge große Fortschritte: „Dies mit 'Verschwörungsthesen' vom Tisch zu wischen ist unverantwortlich“, so die VfA-Chefin. Am Ende geht es immer um die Frage, was der Gesellschaft medizinischer Fortschritt wert ist. Die Pharma-Industrie könne die Medikamentenpreise nicht einseitig festsetzen. Seit 2011 würden die Erstattungsbeträge für neue Krebsmedikamente mit dem GKV-Spitzenverband ausgehandelt.

Die Kostenentwicklung bei Krebsmedikamenten ist dem VfA zufolge eher moderat: Basierend auf dem Apothekenverkaufspreis ohne Abzug von Rabatten lägen die jährlichen GKV-Ausgaben für Onkologika im ambulanten Bereich zwischen 2011 und 2014 zwischen 3,5 bis 3,9 Milliarden Euro. Dies entspricht 10 bis knapp 11 Prozent der gesamten GKV-Arzneimittelausgaben von jährlich 38 Milliarden Euro.

Die mittlere jährliche Steigerungsrate für die Ausgaben betrug 4,3 Prozent. „Empirisch lässt sich eine Kostenexplosion also nicht bestätigen und dies, obwohl ein Schwerpunkt der Innovation derzeit im Bereich Onkologie liegt“, so der VfA. Der Wettbewerb mit Generika und Biosimilars nach Patentablauf sowie die vermehrten Aktivitäten bei der Prävention würden sich langfristig kostendämpfend auswirken, so die Hersteller. Auch die personalisierte Medizin helfe dabei, die Finanzmittel durch Vermeidung erfolgloser Therapieversuche effizienter einzusetzen.

„Patienten brauchen ein Gesundheitswesen, das innovationsoffen ist“, fordert der VfA. Dies zu ermöglichen, sei Aufgabe aller Akteure im Gesundheitswesen. Echter Fortschritt müsse honoriert werden, darauf ziele die letzte große Arzneimittelreform der Politik, indem sie Nutzenbewertung und Preisverhandlung einführte.

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