Krankenstand

Kassen: Depressionen belasten Beschäftigte dpa, 27.01.2015 18:37 Uhr

Starker Anstieg: Psychische Erkrankungen halten Arbeitnehmer zunehmend von der Arbeit fern. Foto: Elke Hinkelbein
Hamburg - 

Die Zahl der Menschen mit Diagnose Depression steigt – und entwickelt

sich zu einem gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Problem. Von 2000

bis 2013 nahmen die Fehlzeiten in Unternehmen aufgrund von Depressionen

um fast 70 Prozent zu. Zugleich stieg der Anteil der Erwerbspersonen,

die Antidepressiva verschrieben bekamen, um ein Drittel auf 6

Prozent. Dies geht aus dem Depressionsatlas 2015 der Techniker

Krankenkasse (TK) hervor.

Im Verhältnis zu Erkältungen oder Rückenbeschwerden würden mit 1,6 Prozent zwar wesentlich weniger Menschen aufgrund von Depressionen krankgeschrieben. Die es treffe, fielen aber sehr lange aus – im Durchschnitt 64 Tage, erläuterte TK-Vorstandschef Jens Baas. Für ein Unternehmen mit 250 Mitarbeitern bedeute dies, dass vier Beschäftigte gut zwei Monate im Jahr fehlten.

Insgesamt summieren sich die Produktionsausfälle durch Fehltage laut Studie auf rund vier Milliarden Euro, hochgerechnet auf alle Arbeitnehmer für das Jahr 2013. Von einer „Volkskrankheit“ könne man zwar nicht mit Blick auf die Zahl der Betroffenen sprechen – wohl aber, was die gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen angehe, sagte Baas.

Betroffen seien vor allem Berufe mit hohem Stresslevel und großer psychischer Belastung. So gebe es in Callcentern durchschnittlich 2,8 Fehltage, in der Altenpflege 2,5, in Erziehungs- 1,6 und in Sicherheitsberufen 1,4 Fehltage. Frauen fehlen der Studie zufolge durchschnittlich 1,3 Tage wegen Depressionen, Männer durchschnittlich 0,8 Tage. Mit dem Alter nehmen die Fehlzeiten deutlich zu – erst mit 60 Jahren seien die Werte wieder rückläufig.

Als Depression im medizinischen Sinn gelten nicht die depressiven Verstimmungen, die etliche Menschen zeitweise haben. Zu den vielfältigen Symptomen der psychischen Erkrankung zählen eine anhaltend gedrückte Stimmung, eine Hemmung von Antrieb und Denken und ein Interessenverlust, hinzu kommen variierende körperliche Symptome.

Bundesweit nach Regionen betrachtet ergibt sich für die Autoren ein sehr „buntes Bild“: Es lasse sich bis zu einem gewissen Grad ein Nord-Süd-Gefälle bei den Fehlzeiten – im Norden mehr, im Süden weniger – und ein Ost-West-Gefälle – im Osten weniger, im Westen mehr – bei der Verordnung von Antidepressiva beobachten. Allerdings stelle man auch fest, dass sich die Regionen annäherten.

Die höchsten Fehlzeiten gebe es in Merzig-Wadern im Saarland mit durchschnittlich 1,7 Fehltagen pro Kopf sowie unter anderem in Lübeck, Neumünster, Bad Segeberg, Duisburg, Gelsenkirchen, Herne und Bielefeld (mit jeweils 1,6). In guter seelischer Verfassung sind die Menschen der Studie zufolge im thüringischen Greiz mit 0,2 sowie im oberfränkischen Kulmbach mit 0,3 depressionsbedingten Fehltagen.

Diese Fehltageübersicht zeige jedoch nur zum Teil, wie psychisch belastet die jeweilige Region sei. Denn nicht jede Depression führe zu einer Krankschreibung. Beziehe man die Verordnungen von Antidepressiva mit ein, stelle man fest, dass Regionen mit unterdurchschnittlichen Fehlzeiten relativ hohe Verordnungsraten aufwiesen. So würden die Kulmbacher zwar 70 Prozent weniger depressionsbedingt krankgeschrieben als der Bundesdurchschnitt. Aber auch hier bekämen 5,5 Prozent der Erwerbspersonen Antidepressiva verschrieben (bei einem deutschlandweiten Mittelwert von an die 6 Prozent).

Auch bei der DAK erreichte die Zahl der Fehltage aufgrund psychischer Erkrankungen 2014 einen Höchststand. Im vergangenen Jahr entfielen knapp 17 Prozent aller Ausfalltage auf Depressionen, Angststörungen und andere psychische Leiden. Das ist ein Plus von knapp 12 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, so die drittgrößte Krankenkasse Deutschlands.

Ursache Nummer 1 für Fehltage waren aber mit 23 Prozent der Ausfalltage Muskel- und Skelett-Erkrankungen wie zum Beispiel Rückenschmerzen. Hinter den psychischen Erkrankungen waren Erkrankungen des Atmungssystems (14 Prozent) drittgrößte Ursache. Unterm Strich sank der allgemeine Krankenstand um 0,1 Prozentpunkte auf eine Quote von 3,9 Prozent.

Für die Analyse wurden die Daten von 2,7 Millionen erwerbstätigen Versicherten ausgewertet. 2014 meldeten sich 48 Prozent der Erwerbstätigen krank, 2013 waren es 51 Prozent. Die Branchen mit dem höchsten Krankenstand waren das Gesundheitswesen, die öffentliche Verwaltung sowie Verkehr, Lagerei und Kurierdienste mit jeweils 4,5 Prozent.