Hermann Gröhe gab sich 2010 unbeirrt. Mehr Wettbewerb brauche das deutsche Gesundheitssystem, sagte der damalige CDU-Generalsekretar. „Mehr Wettbewerb zeigt sich auch darin, dass die einen Krankenkassen Zusatzbeiträge erheben, andere nicht.“ Das war vor vier Jahren, der heutige Bundesgesundheitsminister verteidigte die Folgen der damals jüngsten Gesundheitsreform. Nun kommt es Gröhe zu, mit einer neuen Reform eine Wende hinzulegen: Die Versicherten werden sich wohl an Zusatzbeiträge bei allen Kassen gewöhnen müssen.
Als vor knapp vier Jahren die DAK und einige andere Kassen als erste einen Zusatzbeitrag verlangten, brachte das Empörung. Es wurden zwar nur acht Euro mehr pro Monat fällig – doch Hunderttausende Versicherte flohen zu anderen Anbietern. In Folge sparten viele Kassen, wo es ging.
„Die Kassen wurden in einen Zusatzbeitrag-Vermeidungswettbewerb gezwungen“, sagt AOK-Chef Jürgen Graalmann. Zwei Jahre später war der Spuk vorbei – die gute Konjunktur und ein hoher Beitragssatz von 15,5 Prozent spülten Milliarden in die gesetzliche Krankenversicherung. Zusatzbeiträge wurden gestrichen.
Mit den Extra-Aufschlägen für die Versicherten geht es wieder los, da die Politik die Wirtschaft schont: Union und SPD wollen daran festhalten, dass der Arbeitgeberanteil auf 7,3 Prozent fixiert bleibt. Zudem wird Gesundheit weiter teurer. „Die Ausgaben der Krankenkassen sind in den letzten zehn Jahren um durchschnittlich mehr als drei Prozent pro Jahr angestiegen“, sagt der Präsident des Bundesversicherungsamts (BVA), Dr. Maximilian Gaßner. Die Einnahmenbasis um weniger als 2 Prozent – diese Schere bleibe wohl.
Wenn Gröhe wie erwartet im neuen Jahr die schwarz-roten Pläne umsetzt und die Reform 2015 kommt, erwarten Experten: Nahezu alle Kassen dürften einen Aufschlag von ungefähr 0,9 Prozent des Einkommens nehmen. Große Mehrbelastungen sind das aber zunächst nicht. Denn zugleich wird ein 0,9-Prozent-Sonderbeitrag für die Kassenmitglieder gestrichen.
Doch ab 2016 dürfte der Aufschlag in die Höhe gehen. Schon 2017 nehmen einzelne Kassen dann wohl unter ein bis mehr als 2 Prozent vom Einkommen – so schätzt es der Duisburger Gesundheitsökonom Professor Dr. Jürgen Wasem.
Die Höhe des Prozent-Aufschlags hängt künftig direkt vom Einkommen ab. Wer mehr verdient, zahlt mehr. Um bis zu 40 Euro könnten 2017 die Beiträge im Vergleich zu heute steigen. SPD-Gesundheitsexperte Professor Dr. Karl Lauterbach schwärmte vom „historischen Ende der Kopfpauschale“. Jahrelang hatten FDP und Teile der CDU auf vom Einkommen unabhängige Beiträge gesetzt.
Doch aus dem Schussfeld der Kritik kommen die Kassenfinanzen nicht. Für die neue gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Maria Klein-Schmeink, sind auch die schwarz-roten Reformpläne unsozial. „Das von der SPD gepriesene Ende der Kopfpauschale erweist sich im Konkreten als bittere Pille für die Versicherten.“ Wenn die Arbeitgeber nicht mehr an den steigenden Kosten beteiligt werden würden, komme gerade auf kleine und mittlere Einkommensbezieher hohe Zusatzbeiträge zu.
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